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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kästchen ist?“
    „Nur Geld? Ist nicht auch Geschmeide drin?“
    „Alle Teufel!“
    „Zum Beispiel der große Diamantring des Señors aus Sacramento, der so plötzlich verschwand, nachdem er Euch besuchte!“
    Roulin wurde totenbleich. Er stammelte:
    „Du hast das Kästchen geöffnet?“
    „Natürlich.“
    „Wie?“
    „Mit dem Schlüssel.“
    „So hast du ihn?“
    „Ja. Hier.“
    Bill hielt den Schlüssel in der Hand empor. Als die Gefesselten das kleine Instrument erblickten, stießen alle einen Ruf der Freude aus, Roulin aber einen Wutschrei.
    „Du hast mich bestohlen!“ knirschte er.
    „Schließe auf, schließe auf!“ drängten die anderen, mit ihren Ketten klirrend und ihm die gefalteten Hände entgegenstreckend.
    Bill aber blieb auf seiner Sprosse sitzen und machte eine Bewegung der Abwehr.
    „Still“, sagte er, „ich kann nicht zu gleicher Zeit mit allen sprechen. Zunächst also mit Euch, Señor Roulin; Ihr seid ein Dieb, ein Gauner und Mörder erster Größe. Alles, was Ihr besitzt, habt Ihr geraubt und gestohlen. Wenn ich mir fünftausend Dollar von Euch nehme, so ist das kein Verbrechen gegen Euch. Ich tue nur das, was Ihr selbst erst getan habt: ich nehme Euch das, was Euch nicht gehört, was Ihr geraubt habt.“
    „Halunke.“
    „Nennt mich, wie Ihr wollt. Ihr könnt mich nicht beleidigen, denn Ihr nennt nur Euren eigenen Namen. Und was euch andere betrifft, so gehört ihr, geradeso wie ich, unter das menschliche Ungeziefer, das ausgerottet werden muß. Ich habe viele Sünden auf meinem Gewissen, es kann mir gar nicht einfallen, auch noch die Schuld, euch dem Arm der Gerechtigkeit entzogen zu haben, auf mich zu laden. Ihr bleibt hier.“
    „Hund, du willst allein gehen?“ brüllte Walker.
    „Ja, Señor.“
    „Ich zermalme dich!“ Walker riß wütend an seinen Ketten.
    „Gebt Euch keine Mühe! Zwar hasse ich diesen Steinbach, und ich denke, daß ich mich an ihm rächen werde, aber das Vergnügen, Euch hängen zu lassen, will ich ihm nicht rauben. Ihr wolltet mich hier einschließen, um mich arbeiten und nie wieder die Sonne erblicken zu lassen. Die Vergeltung ist da: jetzt habe ich Euch in meiner Hand. Ich könnte Euch befreien, aber Ihr sollt bleiben, wo ich bleiben sollte.“
    „Bill, das werdet Ihr nicht tun!“ krächzte die Alte.
    „Warum nicht? Etwa aus Liebe zu Euch? Ihr seid nicht weniger schlimm als die anderen, ja, vielleicht noch schlimmer als sie.“
    „Nein, nein; ich habe Euch so sehr lieb!“ jammerte das Weib voller Angst.
    „Soll ich dich etwa heiraten, altes Scheusal? Du hast die jungen Mädchen hier in das Bergwerk geliefert und deine Freude an ihrem Unglück gehabt. Du hast wie eine wahre Teufelin gehandelt. Der Teufel soll dich dafür holen. Heirate ihn, aber mich nicht.“
    Jetzt wandte Leflor das letzte Mittel an.
    „Bill, bedenke, daß ich dich droben am Silbersee aus der Gefangenschaft errettet habe.“
    „Das habt Ihr nicht meinetwegen, sondern Walker zuliebe getan. Ihr seid nicht besser als er; ich mag von Euch auch nichts wissen. Ich gehe jetzt und nehme Abschied von euch mit der Bitte, meiner in treuer Liebe zu gedenken, wenn man euch am Galgen den Strick um den Hals legt. Es muß das ein so wonnevolles Gefühl sein, daß ich es euch allen von ganzem Herzen gönne. Lebt also wohl und laßt euch die Zeit hier nicht lang werden!“
    Bill erhob sich und setzte den Fuß auf die Leiter.
    „Satan“, brüllte da Walker. „Mach uns los! Es ist deine Pflicht!“
    „Bill, lieber Bill, guter Bill!“ riefen und baten die anderen.
    „Immer bettelt ihr Hunde!“ lachte Bill höhnisch. „Ihr hättet auf mein Betteln auch nicht gehört.“
    Dann stieg er empor.
    „Bill, mein Liebling!“ kreischte die Alte.
    „Bill, nimm nur mich mit!“ rief Leflor. „Ich gebe dir zehntausend Dollar.“
    „Nicht für das Zehnfache.“
    „Zwanzigtausend.“
    „Ihr habt nicht mehr zwei Pfennige.“
    Bill ließ das Licht unten stehen und stieg schnell weiter. Er hörte das Toben, Fluchen, Heulen, Bitten und Kettengerassel noch einige Zeit unter sich, bis es nur noch einen verworrenen Lärm bildete, der nach und nach verhallte.
    „Das war Rache! Ah!“ murmelte er befriedigt. „Fünftausend Dollar, einundzwanzigtausend Mark ohne die Kostbarkeiten. Ich bin von allen Sorgen frei, wenn nur heute die Flucht gelingt.“
    Oben angekommen, trat er an den Rand des Felsens und blickte hinab. Das Todestal lag in nächtlichem Dunkel unter ihm. Er konnte nichts erkennen. Im

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