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54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vielleicht um aus Langeweile sich die mit dem nächsten Personenzug ankommenden Passagiere anzusehen. Er trat in die Bahnhofsrestauration und begab sich in das Wartezimmer erster Klasse.
    Der Fremde folgte ihm, aber nicht ganz, sondern er blieb im Wartezimmer zweiter Klasse zurück. Die Verbindungstür stand offen, so daß er durch dieselbe den Pascha unauffällig beobachten konnte.
    Indem er sich an einem der leerstehenden Tische niedersetze, sah er sich um. Sein Auge fiel auf einen einzelnen Herrn, der allein an einem anderen Tisch saß und in einer Zeitung las.
    „Ist's möglich!“ sagte er. „Ist er es, oder irre ich mich?“
    Der Betreffende war klein, aber sehr dick. Sein bartloses Gesicht zeugte von unendlicher Gutmütigkeit, doch lag auch ein Zug von versteckter Schalkhaftigkeit oder List in demselben. Es war von Sonne, Wind und Wetter gegerbt, und diese Lederfarbe stach sehr ab gegen die feine weiße Wäsche, die er trug.
    Der zuletzt Gekommene ging auf ihn zu, verbeugte sich höflich und sagte:
    „Entschuldigung, mein Herr! Es ist mir, als ob wir uns bereits einmal gesehen hätten.“
    Der Dicke legte die Zeitung weg, erhob sich, erwiderte die Verbeugung, betrachtete den Sprecher und antwortete:
    „Da ich Sie jetzt ansehe, ist es mir auch so, als ob wir uns begegnet seien. Aber wo!“
    „Irre ich mich nicht, so war es sehr weit von hier. In Sibirien.“
    „Ah! Sie waren dort?“
    „Ja. Sind Sie nicht Sam Barth, unser wackerer und unvergeßlichen Erretter?“
    „Ja, der dicke Sam bin ich“, lächelte der Kleine. „Errettet soll ich Sie haben? Ich kann mich nicht darauf besinnen.“
    „Am Mückenfluß.“
    „Da habe ich viele errettet. Befanden Sie sich vielleicht unter den armen Flüchtigen?“
    „Allerdings.“
    „So? Hm! Kann mich nicht besinnen.“
    „Ich trug damals einen dichten, langen Vollbart. Jetzt aber bin ich ohne Bart. Darum kennen sie mich nicht.“
    „Sapperment! Hm! Was so ein Vollbart tut! Wie heißen Sie denn eigentlich?“
    Der andere lachte vor Vergnügen über das ganze Gesicht. Er antwortete:
    „Mein Name ist Sendewitsch.“
    „Sen –, alle Teufel!“
    So ein erstauntes Gesicht, wie jetzt in diesem Augenblick, hatte der Dicke wohl auch selten gemacht.
    „Sendewitsch!“ fuhr er fort. „Major Sendewitsch! Der kühne Anführer der Flüchtlinge! Ja, jetzt erkenne ich Sie! Hier meine Hand! Wie mich das freut! Setzen Sie sich! Sie sind also glücklich entkommen?“
    „Ja, auf türkisches Gebiet.“
    „Gott sei Dank! Und was tun Sie hier in Deutschland?“
    „Ich bin militärischer Bevollmächtigter des Großherrn. Ich will nach Essen zu Krupp. Ich bin beauftragt, mit ihm einen Kontrakt wegen Waffenlieferungen zu vereinbaren.“
    „Das freut mich herzlich. So ist also für Ihre Zukunft gesorgt?“
    „Ausreichend. Ich bin Oberst. Übrigens bin ich gestern abend erst angekommen.“
    „Ein wunderbares Begegnen! Also lassen wir uns noch ein Glas geben. Sie müssen erzählen.“
    „Vorher eine Erkundigung. Wo ist Steinbach?“
    „Noch in Petersburg.“
    „So! Wissen Sie vielleicht, ob er auch einmal in der Türkei gewesen ist? Hat er einen gewissen Ibrahim Pascha dort kennengelernt, und wissen Sie, auf welche Weise?“
    „Tut mir leid. Ich habe keine spezielle Erlaubnis, davon zu sprechen.“
    „Ah, so! Na, bleibt sich gleich. Hat Herr Steinbach vielleicht geholfen, zwei Damen zu entführen?“
    „Möglich.“
    „Kommt er auch hierher?“
    „Ja. Er wird sogar in sehr kurzer Zeit hier eintreffen.“
    „Das ist sehr gut. Ich werde ihm einen bekannten Türken vorstellen.“
    „Befindet sich etwa einer hier im Bad? Ich habe die Präsenzliste durchgelesen, aber keinen Türken gefunden. Wer ist's?“
    „Ibrahim Pascha, er ist inkognito hier!“
    Da fuhr Sam von seinem Stuhl auf.
    „Ist's wahr?“ fragte er. „Wo ist er zu sehen?“
    „Draußen im Wartezimmer erster Klasse.“
    „Doch nicht der Herr, der soeben hier durchgegangen ist?“
    „Ganz derselbe.“
    „Aber woher wissen Sie denn, daß er es ist? Sie sagten doch soeben, er sei inkognito hier.“
    „Ich habe ihn belauscht.“
    „Sapperment! Sie haben gar keine Ahnung, welchen Wert diese Nachricht für mich, daß heißt natürlich für Herrn Steinbach, hat. Ich muß mir den Kerl einmal genau ansehen.“
    Sam wollte sich vom Tisch entfernen, Sendewitsch aber hielt ihn fest und sagte:
    „Bitte, bleiben Sie noch! Vielleicht ist es besser, Sie machen ihn nicht auf sich aufmerksam. Kennen Sie einen Maler

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