54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Normann?“
„Ja.“
„Und zwei Damen namens Tschita und Zykyma?“
„Auch.“
„Und daß Sie auch den Namen Adlerhorst kennen, das weiß ich von Sibirien aus. Es befand sich ja damals ein entflohener Kosak in der Höhle, der ein Deutscher namens Adlerhorst war.“
„Georg Adlerhorst“, nickte Sam. „Das ist richtig. Aber warum fragen Sie mich nach diesen Leuten?“
„Es droht ihnen vom Pascha Gefahr. Tschita und Zykyma sollen geraubt werden.“
„Geraubt? Meint der Kerl etwa, daß er sich in Asien befindet, wo so etwas möglich ist? Hier mag er es nur bleibenlassen! Woher wissen Sie es denn? Erzählen Sie, bitte, erzählen Sie!“
Der jetzige türkische Oberst erzählte nun, wie er dazu gekommen sei, den Horcher zu machen. Sam hörte ihm aufmerksam zu, stand dann auf, stellte sich an die zum ersten Wartezimmer führende Tür und sah sich den darin Befindlichen an.
„Lassen Sie sich nicht sehen!“ warnte Sendewitsch.
„Keine Sorge! Ich bin ein alter, erfahrener Frosch und weiß ganz genau, wann ich zu quaken habe und wann nicht.“
Er hatte sich so gestellt, daß er von Ibrahim nicht gesehen werden konnte. Als er sich dann wieder niedersetzte, meinte er:
„Also das ist der Kerl! Dieses Gesicht will ich mir sehr genau merken. Er scheint auf den nächsten Zug zu warten.“
„Wohl nur zur Unterhaltung.“
„Möglich! Es wird ein sehr guter Bekannter von ihm aussteigen, dessen Anblick ihm sicher einen gewaltigen Schreck einjagt.“
„Erwarten Sie jemanden?“
„Ja, und zwar einen Menschen, mit dem auch Sie zu tun gehabt haben. Er war früher Derwisch und beteiligte sich damals an unserem Kampf, als wir die Herren Kosaken so gewaltig hinter das Licht führten. Er hatte sich ihnen angeschlossen. Ich nahm ihn dann gefangen, weil wir eine Rechnung mit ihm auszugleichen hatten, die ihm jetzt noch auf dem Rücken hängt. Er ist noch heute unser Gefangener. Er soll hier eingesperrt werden. Jim und Tim bringen ihn. Ich bin voraus, um ihn das Logis zu besorgen. Steinbach hat ihm eine hübsche Privatwohnung angewiesen. Ich hatte an den hiesigen Schloßkastellan einen Brief abzugeben, infolgedessen der Mann sofort ein sehr sicheres Gewölbe für den Gefangenen in Bereitschaft gesetzt hat.“
„Dieser Herr Steinbach ist mir ein großes Rätsel. Ein gewöhnlicher Mann ist er keinesfalls.“
„Nein. Als ich mich darüber verwunderte, daß der Gefangene hier auf Schloß Wiesenstein untergebracht werden solle, das bekanntlich dem Prinzen Oskar gehört, äußerte er, daß der Prinz ein guter Freund von ihm sei. Also kann er kein ordinärer Kerl sein.“
„Und Sie wissen genau, daß dieser Derwisch mit dem nächsten Zug kommt?“
„Gewiß.“
„Der Pascha kennt ihn so genau, daß er ihn erkennen muß?“
„Ja. Sie sind sehr eng verbündet.“
„So muß ich ihn beobachten.“
„Tun Sie das. Vier Augen sehen mehr als zwei. Horch! Es läutet bereits. Der Zug kommt!“
Das Glockenzeichen war gegeben worden, und die anwesenden Gäste traten auf den Perron, der Pascha auch.
Sam war natürlich auch hinausgegangen. Der Oberst hielt sich etwas zurück. Er wollte den Pascha nicht merken lassen, welche Teilnahme er ihm und dem zu erwartenden Vorgang widmete.
Der Zug fuhr ein, und die Reisenden stiegen aus. Aus dem Fenster eines separaten Coupés blickte das scharf gezeichnete, hagere Gesicht Jims. Sam bemerkte es und eilte auf ihn zu.
„Nun, alles in Ordnung?“ fragte er.
„Ja.“
„So steigt aus! Heraus mit ihm!“
Jim stieg voran, ihm folgte Florin, und dann kam Tim hinterher gestiegen.
Der einstige Kammerdiener sah keineswegs leidend aus. Man hatte ihn nicht gepeinigt. Aber er war scharf gefesselt. An Händen und Füßen hingen klirrende Ketten, und die ersteren wurden überdies durch einen Eisenstab auseinandergehalten, so daß sie einander nicht genähert werden konnten. Das machte jeden Fluchtversuch zu einem ganz aussichtslosen Unternehmen.
„Wohin?“ fragte Jim.
„Hinauf in das Schloß“, antwortete Sam. „Bringt ihn zum Kastellan, der schon auf euch wartet. Ich habe hier noch etwas zu tun, werde aber baldigst nachkommen. Also, macht fort!“
Die ausgestiegenen Passagiere hatten den Perron meist schon verlassen. Nur wenige befanden sich noch da, mit ihrem Handgepäck beschäftigt. Auf den Gefangenen hatte noch niemand acht gehabt.
Sam trat zurück, um den Pascha zu beobachten, der ahnungslos nach der anderen Seite blickte. Oberst Sendewitsch war langsam näher gerückt und
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