54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
ein.
Natürlich suchten sie sofort nach der Norddeutschen Allgemeinen und fanden auf dem weißen Rande derselben eine mit Bleistift geschriebene Drei.
„Also das heißt, um drei Uhr zum Stelldichein“, meinte Sam. „Wir werden teilnehmen.“ – – –
Der Agent Schubert war, als er sich von dem Pascha getrennt hatte, zunächst in einige Geschäfte gegangen, um Einkäufe zu machen. Er ordnete an, daß man ihm die Gegenstände nach dem Hotel zum Schwan bringe.
Es war Wäsche und ein neuer Anzug. Er wußte gar wohl, was ihm notwendig war.
Im Hotel angekommen, verlangte er ein besseres Zimmer. Er hatte jetzt Geld und konnte sich zeigen. Als die Sachen angekommen waren, kleidete er sich um und begab sich dann, strahlend vor Eleganz, in den Gastraum, wo einige der hier wohnenden Badegäste bereits beim zweiten Frühstück saßen.
Er selbst aß nicht, sondern ließ sich ein Glas Wein geben, zahlte sofort und gab dem Kellner ein Trinkgeld, über dessen Höhe der dienstbare Geist in das größte Erstaunen geriet, denn der Agent hatte sich niemals von dieser angenehmen Seite gezeigt.
Er erreichte vollkommen, was er damit bezweckte, denn schon in wenigen Minuten hatte ihm der Kellner offenbart, daß ein Maler namens Normann mit seiner Gattin Tschita und einer Freundin oder Verwandten derselben, die Zykyma genannt werde, eine von ihm gemietete Villa bewohne und zuweilen den Besuch eines Duzfreundes erhalte, den er Hermann nenne und der ein zum Schloß gehöriges Parkhäuschen gemietet habe.
Der Agent legte nach erhaltener Auskunft ein zweites Trinkgeld auf den Tisch, worauf der doppelt erstaunte Kellner ihn seiner tiefsten Verschwiegenheit versicherte, und verließ dann, als er seinen Wein getrunken hatte, das Hotel, um der Gegend zuzuspazieren, in der Normann wohnte. Er wollte rekognoszieren.
Am liebsten hätte er den Maler unter irgendeinem Vorwand besucht; doch kam er von diesem Gedanken ab. Bei allem, was geschah, mußte er seine Person im dunkeln halten.
Er promenierte also nur an der Villa vorüber und warf ihr dabei verstohlene Blicke zu. Er bemerkte nichts Auffälliges und sah auch keinen Menschen, weder im Garten noch an einem Fenster.
Nun bog er in eine Nebenstraße ein. Da stand eine kleine, rund von einem hübschen Gärtchen umgebene Villa, an deren vorderem Zaun eine Tafel errichtet war, auf der zu lesen stand: „Hier ist das möblierte Parterre zu vermieten und kann sofort bezogen werden.“
„Ah, das paßt!“ dachte er. „Beide Grundstücke stoßen aneinander. Geld habe ich genug. Die beiden Damen, auf die es abgesehen ist, wohnen da drüben. Es kann nicht besser passen. Ich miete dieses Parterre und ziehe her.“
Er ging hinein und hatte das Geschäft schnell abgeschlossen. Die kleine Villa gehörte der Witwe eines Beamten. Sie wohnte mit ihrer Schwester in dem Obergeschoß. Außer diesen beiden und einem Dienstmädchen war niemand vorhanden. Diese drei Personen konnten ihm wohl nicht hinderlich sein.
Jetzt begab er sich in das Hotel zurück und gab Befehl, seine Effekten nach der neuen Wohnung zu schaffen. Dann begab er sich nach dem Pavillon.
Er erwartete zwar nicht, bereits jetzt eine Notiz des Paschas zu finden; aber es war einmal ausgemacht worden, zur Mittagszeit nachzuschauen, und in solchen Dingen war er von peinlicher Genauigkeit.
Als er dort eintrat, befanden sich mehr Gäste da als am Vormittag. Er achtete nicht auf sie. Er setzte sich, ließ sich eine kleine Erfrischung geben und verlangte die Norddeutsche Allgemeine Zeitung, die jetzt zwar von einem anderen gelesen, ihm aber bald gebracht wurde.
Hinten in der Ecke saßen Sam und Sendewitsch. Sie beobachteten ihn genau.
„Jetzt bekommt er das Blatt“, meinte der Dicke. „Passen Sie auf sein Gesicht auf.“
Beide bemerkten sehr deutlich, daß er die Ziffer sah. Es ging etwas wie ein leises Erstaunen über sein Gesicht. Er hielt sich nicht lange auf und verließ das Lokal sehr bald.
„Wollen wir ihm nach?“ frage Sendewitsch.
„Nein. Wir würden doch nichts merken. Jetzt müssen wir vor allen Dingen besorgt sein, die beiden Kerle zu belauschen. Dazu ist erforderlich, daß wir vor ihnen an Ort und Stelle sind. Kommen Sie.“
Links führte von Wiesenstein aus der Weg zum Schloß empor, rechts vom Städtchen, auf der anderen Seite erhob sich eine zweite, bewaldete Höhe, die etwas niedriger als der Schloßberg war. Auf ihrem Gipfel befand sich eine kleine, runde, gelichtete Stelle, auf der einige Bänke angebracht
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