54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
worden waren, da man von hier aus eine hübsche Fernsicht hatte und auch das gegenüberliegende Schloß malerisch vor sich sah.
Das war Oskars Ruhe.
Die beiden Männer stiegen langsam und gemächlich hinauf.
Als sie oben angekommen waren, schlüpften sie von dem freien Platze fort und setzten sich so nieder, daß sie durch Baumstämme verdeckt waren.
Der Agent kam zuerst. Er blickte sich auf dem Platz um und trat unter die Bäume.
Sam und Sendewitsch schlichen sich von Stamm zu Stamm ihm nach. Er schien auch sehr vorsichtig zu verfahren, denn er blickte sich öfters um, aber ohne sie zu bemerken.
Endlich verschwand er hinter einer Felsecke, hinter der er erst nach einigen Minuten hervorkam, um sich wieder nach dem freien Platze zu begeben.
Jetzt huschten auch Sam und sein Begleiter um die Felsecke herum.
„Wir setzen uns da herauf!“ sagte Sam und deutete auf den Felsen. Dieser stieg wohl um vierzig Fuß hoch empor und hatte in der Höhe von fünf Metern einen ziemlich breiten Absatz, der mit weichem Moose bewachsen war.
Es standen hohe Farnbüschel rund umher. Sam sammelte einige, dabei aber jede Spur genau verwischend, brachte sie herbei und warf sie auf den Felsabsatz hinauf.
„So!“ sagte er. „Das gibt ein Buschwerk, hinter dem wir uns verstecken. Klettern wir hinauf!“
Der Blick des Obersten fiel bedenklich auf Sams Leibesumfang. Dieser bemerkte jedoch lächelnd:
„Haben Sie keine Sorge. Ich bin noch an ganz anderen Orten emporgeklettert. Es ist leichter, als Sie denken.“
Und er hatte recht, denn nachdem der Oberst auf Sams Schulter gestiegen und auf diese Weise sehr schnell hinaufgekommen war, verstand es Sam, als er von dem Oberst an dem Gürtel heraufgezogen wurde, sich so leicht zu machen, als ob er ein Schulkind sei.
Als sie nun oben saßen, wurden die Farnkräuter so geordnet, daß sie eine genügende Deckung boten.
Endlich hörten sie Schritte und Stimmen.
„Wo ist's denn?“ frage der Pascha.
„Gleich hier hinter dem Felsen.“
Sie kamen um die Ecke. Der Pascha sah sich um und meinte in zufriedenem Ton:
„Der Platz ist vortrefflich. Hier kann uns kein Mensch beschleichen.“
„Nein; hier sind wir freilich sicher.“
„Also lassen wir keine Zeit verstreichen. Es ist mir etwas widerfahren – oder vielmehr, es hat sich etwas ereignet, was es notwendig machte, mit Ihnen zu reden. Erinnern Sie sich noch des Derwisches, von dem ich Ihnen erzählte?“
„Ja. Hatte er nicht den Vermittler zwischen Ihnen und dem Mädchen gemacht, als Sie Tschita kauften?“
„Ja. Denken Sie sich, er ist hier, und zwar als Gefangener.“
„Das ist freilich etwas ganz Ungewöhnliches.“
„Mir fuhr der Schreck in alle Glieder.“
„Haben Sie denn Veranlassung, zu erschrecken?“
„Leider ja. Der Derwisch muß unbedingt befreit werden, sonst bin ich verloren!“
„Das klingt wirklich gefährlich! Sagen Sie mir doch, warum das Schicksal dieses Derwisches einen solchen Einfluß auf das Ihrige haben kann!“
„Weil – weil – weil wir Verbündete sind. Sie sind einmal mein Vertrauter und Helfer geworden, und so will ich Ihnen sagen, daß es sich um eine Blutrache gegen einen Deutschen handelte. Er war mein Werkzeug. Ich kann nicht fort, ohne den Derwisch befreit oder wenigstens für mich unschädlich gemacht zu haben.“
„Hm! Die Sache hat ihre ganz besonderen Schwierigkeiten. Weshalb hat man sich denn seiner Person bemächtigt?“
„Das weiß ich nicht. Man brachte ihn mit dem Bahnzug. Und es waren zwei lange, dürre Menschen bei ihm.“
„Jedenfalls Kriminalbeamte in Zivil. Hat er Sie gesehen?“
„Ja, und sogar mit mir gesprochen.“
Der Pascha erzählte den Vorgang, so wie derselbe sich ereignet hatte. Der Agent machte eine sehr nachdenkliche Miene und erwiderte:
„Wieviel bieten Sie für die Befreiung dieses Derwisches?“
„Wieviel verlangen Sie?“
„Hm! Es ist das eine Arbeit, deren Lohn sich eigentlich gar nicht bemessen läßt. Doch zuvor noch eins: Ich setze den Fall, ich könnte Ihnen bereits heute sagen, wo Tschita und Zykyma sich befinden, würde ich da zehntausend Mark erhalten?“
„Sofort. Ich würde sie Ihnen um so lieber bezahlen, je rascher die Sache gegangen ist. Geben Sie mir die Gewißheit, daß Sie sie entdeckt haben, so zahle ich sofort.“
„Nun gut. Sie sollen sie sehen!“
Der Pascha stieß einen Ruf des Erstaunens aus.
„Sehen! Ist's wahr?“ fragte er. „So befinden sie sich hier in Wiesenstein?“
„Zufälligerweise alle
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