54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
herumführen und trotzdem alle meine andere Arbeit besorgen!“
„Na, na! Ich werde Ihnen ein gutes Trinkgeld geben.“
„Bitte, gegen Sie persönlich war das nicht gerichtet. Es kommen noch ganz andere Sachen. Da haben sie zum Beispiel heute einen Gefangenen gebracht, den ich auch noch bewachen soll. Alle zwei Stunden des Nachts soll ich in sein Loch gehen, um mich zu überzeugen, daß alles in Ordnung ist. Denken Sie sich, alle zwei Stunden. Nun nehmen sie mir auch das bißchen Schlaf!“
„Ein Gefangener? Ist denn das Amtsgefängnis hier im Schloß?“
„Nein. Das ist unten in der Stadt.“
„Was hat denn da ein Gefangener hier auf dem Schloß zu tun?“
„Das weiß der Teufel. Es ist geradeso, als ob man ihn nur heraufgebracht habe, um mich zu turbieren.“
„Was ist es denn für ein Kerl? Ein Dieb?“
„Wohl nicht. Der sieht mir nicht wie ein Dieb aus. Er scheint guter Leute Kind zu sein und kann mir sehr leid tun.“
„Wo steckt er denn?“
„Unten im Keller, in einem finsteren Gewölbe. Denken Sie sich. Er ist doch auch ein Mensch.“
„Allerdings. Aber da besinne ich mich. Ich war heute auf dem Bahnhof. Es kam mit dem Zug ein Gefangener an. Vielleicht ist es dieser. War er in Eisen geschlossen?“
„Ja.“
„Zwei lange, hagere Kerle haben ihn gebracht?“
„Ja. Das sind auch die richtigen. Die haben sich benommen, als ob sie die Herren des Schlosses seien. Eigentlich sind sie es, die ihn zu bewachen haben. Wenn ich diesen Kerlen einen Schabernack spielen könnte!“
Das Herz des Agenten hüpfte vor Freude. Das machte sich ja viel, viel besser, als er es hatte für möglich halten können. Er forschte:
„Haben diese Sie den so schwer beleidigt?“
„Ja. Ich will nicht davon sprechen. Aber ich habe dieses Leben satt. Man will doch auch wissen, wofür und wozu man lebt. Wenn ich nur wenigstens Hilfe für meinen Schwiegersohn finden könnte!“
„Hm! Die Gaben fallen nicht vom Himmel herab; sie müssen verdient werden. Wer fünfzehnhundert Markt braucht, der muß sich eben umsehen, ob er einen Menschen findet, von dem er sie haben kann. Nur darf man eben nicht denken, daß man eine solche Summe ohne Mühe und ganz umsonst bekommen kann.“
„Das wird auch kein Mensch verlangen.“
„Nun, wenn Ihnen jetzt jemand dieses Geld geben wollte, was würden Sie ihm dafür bieten?“
„Bieten? Hm! Ich habe leider nichts.“
„Vielleicht doch! Sie haben etwas, wofür man vielleicht fünfzehnhundert Mark geben würde.“
„Sapperment! Was wäre das?“
„Das ist sehr leicht, aber auch sehr schwer gesagt. Ich weiß nicht, ob Sie verschwiegen sind.“
„Verschwiegenheit muß unsereiner schon gelernt haben. Da können Sie sich beruhigen!“
„So! Da müßte ich Ihnen zunächst sagen, daß Sie die Unterstützung nicht direkt von mir erhalten werden. Es handelt sich um einen Herrn, einen sehr hohen Herrn, dem Sie die Hilfe zu verdanken haben werden.“
„Wer ist es?“
„Jetzt darf ich seinen Namen noch nicht nennen, da ich nicht weiß, ob Sie auf seine Absichten eingehen werden.“
„Ich tue alles, was er von mir verlangt.“
„Es ist nur eine kleine Gefälligkeit, die sich auf den Gefangenen bezieht.“
„Ist's gefährlich, Herr?“
„Wenn man es richtig anfaßt, nicht. Der betreffende Herr wünscht nämlich – hm! Erraten Sie es nicht?“
„Soll der Gefangene etwa befreit werden?“
„Wenn man das von Ihnen verlangte, was würden Sie dazu sagen?“
„Daß ich mich nicht damit abgeben kann.“
„Nun gut, so will ich Ihnen einen Vorschlag machen. Sprechen wir zunächst nicht von einer Flucht des Gefangenen. Ich will Sie einstweilen lieber fragen, ob es nicht möglich zu machen ist, einmal mit ihm zu reden.“
„Das wird schwer sein.“
„Ich biete Ihnen dreihundert Mark dafür.“
„Dreihundert Mark können meinen Schwiegersohn nicht retten.“
„Das kann ich mir wohl denken, aber einmal mit dem Gefangenen sprechen, das ist nicht soviel wie ihn befreien. Übrigens ist damit nicht gesagt, daß wir uns und auch Sie sich damit begnügen müßten. Sie werden sich die Sache überlegen und später vielleicht bereit sein, das zu tun, was Sie jetzt nicht tun wollen. Bedenken Sie dabei, daß es ganz und gar kein Wagnis ist, wenn Sie es uns ermöglichen, einmal mit dem Gefangenen zu reden.“
„Hm! Ja, wenn es verschwiegen bliebe!“
„Meinen Sie, daß wir selbst so dumm sein würden, es zu verraten?“
„Wohl nicht. Was haben Sie denn mit ihm zu
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