54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Vertrauen ziehen mußte. Beide ließen sodann den Schließer kommen, dessen Häuschen jenseits des Schloßhofes am Eingang zum Park stand.
Er war Soldat gewesen, ein alter Schlaukopf und treuer Diener seines Herrn, dem er viel zu verdanken hatte. Als er von der Unterredung zurückkehrte, funkelten seine Augen vergnügt. Es gab hier einmal etwas, worüber er sich freute, einen berühmten Kriminalbeamten und schlechten Kerl an der Nase herumzuführen.
Der Schließer hatte kaum sein Häuschen erreicht, so trat der Agent durch das vordere Tor, sah sich im Hof um, in dem sich augenblicklich kein Mensch befand, schritt über denselben hinweg und wollte sodann in den Park hinaus.
Da öffnete der Schließer sein Fenster und fragte:
„Wohin, mein Herr?“
„In den Park.“
„Das ist jetzt verboten. Von heute an ist es untersagt. Erst gestern sind uns wieder eine ganze Zahl der schönsten Bäumchen umgeschnitten worden. Nun darf niemand mehr ohne Begleitung hinein.“
„Wer geht da mit?“
„Zuweilen ich, zuweilen andere, wer gerade so Zeit dazu hat.“
Das war dem Agenten eben recht. Er hatte ja nicht die Absicht, allein zu sein. Er suchte jemand, mit dem er reden, bei dem er sich erkundigen konnte. Darum sagte er:
„So bitte, kommen Sie! Es soll mir auf ein gutes Trinkgeld nicht ankommen.“
Der Schließer kam heraus und begleitete den Agenten, sich in respektvoller Weise immer einen Schritt zurückhaltend. Dabei erklärte er ihm verschiedenes und benutzte auch eine Gelegenheit zu folgender Expektoration:
„Ist es nicht unrecht, das Publikum von dem Genuß des Parkes auszuschließen? Wer verkehrt denn hier? Die anständigen Badegäste, die uns Nahrung und Verdienst bringen. Solche Leute schneiden keine Bäume nieder. Ich vermute stark, daß die losen Buben des Kastellans es gewesen sind. Wenn nun der Prinz kommt, wird es noch viel schlimmer hier. Herrenbrot ist saures Brot!“
Der Agent blickte dem Schließer forschend in das mißmutige Gesicht. Es schien, daß er hier glücklicherweise einen Mann gefunden habe, der zu gebrauchen war. Er freute sich darüber, ließ sich das aber nicht merken, sondern sagte in einem beinahe zurechtweisenden Ton:
„Dürfen Sie denn in dieser Weise sprechen?“
„Warum nicht? Ja, mit dem durchlauchtigsten Herrn wäre wohl ganz gut auszukommen, aber die Zwischenpersonen, die Zwischenpersonen! Die machen es sich leicht, während unsereinem alles, alles aufgebürdet wird. Ich habe mich schon längst nach einer anderen Stelle umgesehen.“
„Werden Sie denn wieder so eine finden?“
„So eine? Allemal! Ich habe hier mit sechzig Mark eine zahlreiche Familie zu ernähren. Einen Pfennig für das Alter kann ich mir nicht sparen. Und wenn nun gar einmal etwas Unvorhergesehenes eintritt, wie jetzt bei mir, so ist man rettungslos bloßgestellt, und vielleicht gar noch der Schande preisgegeben.“
„Was ist Ihnen denn geschehen?“
„Mir eigentlich nicht, aber meinem Schwiegersohn. Der ist nämlich Bäcker und – aber da schwatze ich solche Sachen, die Sie gar nicht interessieren können.“
„Oh doch! Ich interessiere mich stets für meine armen, leidenden Mitmenschen.“
Der Schließer warf dem Agenten einen warmen, dankbaren Blick zu und meinte:
„Das ist ein Zeichen, daß Sie ein gutes Herz besitzen, was man leider jetzt so selten findet. Mein Schwiegersohn nämlich war arm, und ich habe meiner Tochter natürlich nichts mitgeben können. Da ist denn alles auf Kredit unternommen worden, und zuletzt hat mein Schwiegersohn einen Wechsel unterschreiben müssen; der ist übermorgen fällig, aber kein Pfennig ist zur Bezahlung vorhanden.“
„Oh weh! Wie hoch ist die Summe?“
„Fünfzehnhundert Mark.“
„Nun, das ist ja doch kein Königreich.“
„Für Sie nicht; für uns aber ist es unerschwinglich. Man wird meinen Schwiegersohn mit seinen Kindern aus dem Haus jagen. Was soll dann geschehen! Ich weiß weder ein noch aus. Ich bin bereits von Pontius zu Pilatus gelaufen, aber Hilfe finde ich nicht. Ich habe sogar an den Prinzen schreiben wollen. Der würde vielleicht helfen. Aber der Kastellan duldet das nicht. Er sagt, daß er mich fortjagen werde, wenn ich den durchlauchtigsten Herrn mit meiner Bettelei belästige.“
„Das ist freilich sehr schlimm für Sie.“
„Ich bin so voller Wut, daß ich gleich aus der Haut fahren könnte! Keine Rettung, keine Hilfe! Und dabei immer mehr Arbeit und mehr Verantwortung! Jetzt muß ich gar noch die Leute im Park
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