54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
eingetretene Gast ein Getreidehändler sei.
Nach einer Weile kam auch der andere Polizist herein. Er tat, als sei er überrascht, den vorigen hier zu finden, begrüßte ihn als einen alten Bekannte, setzte sich zu ihm und ließ sich auch ein Glas Wein geben.
Nun unterhielten sich die beiden über verschiedenes, wobei allerdings vom Handel und Wandel am meisten die Rede war.
„Es geht mir ganz ebenso wie dir“, sagte der eine. „Man gibt seine guten Waren oder gar das bare Geld hinaus und bekommt meist faule Wechsel dafür, die man einklagen muß. Ich habe da eine ganze Zahl dieser Wische in der Tasche stecken, von denen ich fast genau weiß, daß sie protestiert werden müssen. Der einzig sichere ist der, den ich dir übermorgen präsentieren werden.“
„Mir?“ fragte der Händler verwundert. „Wie hoch lautet er denn?“
„Auf fünfzehnhundert Mark.“
„Alle Teufel! Das muß ein Irrtum sein.“
„O bitte! Du hast ihn akzeptiert.“
„Was? Ich? Fällt mir gar nicht ein!“
Der angebliche Getreidehändler machte ein sehr erstauntes, ja betroffenes Gesicht. Der andere blickte ihn ebenso verwundert an und meinte:
„Aber er ist doch von dir unterschrieben! Ich kenne deine Handschrift so genau, daß ich mich gar nicht irren kann.“
„Wer hat ihn denn ausgestellt?“
„Der Bäcker Franke, weißt du, der Sohn des Schließers oben im Schloß.“
Der Agent konnte jedes Wort der beiden hören. Er hatte ihrer Unterhaltung bisher wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt aber, als von dem Schließer und seinem Sohn die Rede war, horchte er auf.
„Mit dem habe ich allerdings zu tun“, sagte der Getreidehändler, „aber nicht so, daß ich einen Wechsel akzeptierte. Er ist ganz im Gegenteil mein Schuldner.“
„Aber es ist doch deine Handschrift!“
„So ist sie nachgemacht. Zeige ihn einmal her!“
Die beiden taten so, als ob sie sich in der größten Aufregung befänden. Sie machten ihre Sache so gut und spielten ihre Rollen so natürlich, daß dem Agenten der Gedanke, daß es nur darauf abgesehen sei, ihn zu täuschen, gar nicht kommen konnte. Er war außerordentlich gespannt auf die Entwicklung des Gesprächs.
Der Inhaber des Wechsels nahm denselben heraus und zeigte ihn dem Händler. Dieser letztere betrachtete ihn sehr genau und sagte dann:
„Alle Teufel! Es ist in der Tat eine Fälschung. Aber die Unterschrift ist so täuschend, so vortrefflich nachgemacht, daß ich glauben könnte, ich hätte sie wirklich geschrieben.“
Die beiden blickten einander ein Weilchen sprachlos an. Sie schienen sich gar nicht in den Gedanken finden zu können.
„Das ist stark!“ stieß endlich der Inhaber des Wechsels hervor. „Aber Menschenskind, wer sollte es denn wagen, deine Handschrift nachzuahmen?“
„Alberne Frage! Natürlich der Bäcker!“
Da schlug ersterer mit der Faust auf den Tisch und rief in zornigem Ton:
„Das ist stark! Fünfzehnhundert Mark zu verlieren, das ist keine Kleinigkeit! Ich werde sofort auf die Polizei gehen.“
Er stand auf, als ob er sich entfernen wolle. Der andere ergriff ihn jedoch beim Arm, zog ihn wieder auf seinen Platz zurück und sagte:
„Nicht so rasch! Dazu ist allemal noch Zeit! Jetzt weißt du ja noch gar nicht, ob er ihn einlösen wird oder nicht!“
„Einlösen? Der hätte das Geschick! Ich sage dir, daß er nicht fünfzehnhundert Pfennige hat, viel weniger so viele Mark! Ich war ja heute früh bei ihm!“
„Wenn er es heute nicht hat, so wird er es übermorgen haben; er weiß ja, daß der Wechsel dann fällig ist.“
„Damit lasse ich mich nicht ein. Heute, gleich heute will ich mein Geld. Wenn ich bis übermorgen warte, ist er ausgerissen. Wer falsche Wechsel ausgibt, setzt sich nicht so lange hin, bis sie fällig sind. Ich bin überzeugt, daß der Kerl davonläuft.“
„Hm, dieser Gedanke liegt freilich nahe! Mich sollte nur seine arme Familie dauern, die er im Stich lassen wird. Und ebenso leid tut mir sein Vater, der Schließer, der schon so viel für ihn getan hat und ihm nun nicht mehr helfen kann. Er ist ein Ehrenmann und scheint doch nicht das beste Brot zu haben droben auf dem Schloß. Der Kastellan will ihm nicht wohl.“
„Das geht mich alles nichts an. Ich verlange mein Geld! Ich gehe sogleich zu ihm!“
Der Polizist stand wieder auf, trank sein Glas leer und schickte sich zum Gehen an, ohne dieses Mal von dem anderen zurückgehalten zu werden.
Da erhob der Agent sich von seinem Platz, trat herbei und
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