54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
nieder und entgegnete nach einer kleinen Weile:
„Hm! Der Plan ist kühn, vielleicht verwegen, aber nicht so übel. Als Weib könnten Sie freilich ein sicheres Unterkommen finden. Und ich könnte Sie sehr gut gebrauchen, wenn ich Tschita und Zykyma entführe.“
Da sprang der Gefangene wie elektrisiert von seinem Stuhl auf, so daß die Ketten klirrten.
„Entführen!“ rief er. „Bravo! Bravo! Welch eine Rache! Ich helfe mit.“
„Und zugleich entführen wir Steinbachs Braut.“
„Jene Gökala? Gut, sehr gut. Und jagt man uns nach, und gelingt es uns ja nicht, die Frauen fortzubringen, so töten wir sie. Eine bessere Rache gibt es nicht.“
Der Pascha antwortete nicht sofort. Er blickte dem Agenten forschend in das Gesicht und sagte:
„Was meinen Sie zu seiner Verkleidung als Frau?“
„Das ist nicht übel.“
„So reden Sie einmal mit dem Schließer!“
„Gut; ich will meine Reservekavallerie gegen ihn vorrücken lassen.“
Der Agent wandte sich nun an den Schließer.
„Wie steht es mit Ihrem Sohn? Haben Sie inzwischen einmal mit ihm gesprochen?“
„Nein, ich wollte zu ihm, konnte aber leider heute nicht fort.“
„So! Hm! Kennen Sie einen Getreidehändler, der Weber heißt? Hat er mit Ihrem Sohn zu tun?“
„Seit Jahren schon.“
„Ist er ihm Geld schuldig?“
„Ich glaube, ja.“
„Nun, lesen Sie einmal dieses Papier!“
Der Agent zog den Wechsel hervor und gab ihn dem Schließer, der mit demselben an die Lampe trat, um ihn zu lesen.
„Ein Wechsel“, sagte er. „Über fünfzehnhundert Mark. Aber mein Sohn hat ihn ja nicht akzeptiert. Da hat er ihn nicht einzulösen.“
„Nein, akzeptiert hat er ihn freilich nicht, aber gefälscht.“
„Gefälscht? Herr! Mein Sohn? Ich kann es doch kaum glauben!“
„Hier der Wechsel ist der Beweis!“
„Das ist freilich wahr, oh, nur zu wahr! Ach, was soll daraus werden?“
„Eine vieljährige Zuchthausstrafe.“
Der Schließer ging händeringend im Stübchen hin und her. Die beiden Männer antworteten ihm nicht; auch der Gefangene sagte kein Wort.
„Herr, sagen Sie, ob es denn keine Rettung geben kann!“ wandte er sich endlich an Schubert.
Dieser zuckte die Achseln. „Ich gab Ihnen einen Weg an, der Ihren Sohn retten könnte.“
„Ah, die – Befreiung des Gefangenen?“
„Ja.“
„Das kann ich nicht.“
„Nun, so muß Ihr Sohn ins Zuchthaus wandern. Der Wechsel ist jetzt in meiner Hand; also befindet sich auch das Schicksal Ihres Sohnes in derselben.“
„Herr, ich bitte Sie um Himmels willen, zeigen sie es nicht an!“
Der Schließer bat so rührend, wie nur ein Vater bitten konnte; aber der Agent antwortete hart:
„Halten Sie mich für ein Kind? Es handelt sich um fünfzehnhundert Mark, die ich für Ihren Sohn bezahlt habe. Soll ich diese Summe einbüßen?“
„Ich will sie bezahlen.“
„Wann? Heute? Jetzt?“
„Nein, das kann ich nicht; aber ich will sie nach und nach abzahlen!“
„Das bringen Sie bei Ihrem Gehalt in aller Ewigkeit nicht fertig! Wenn Sie mir aber folgen wollten, so schenkte ich Ihnen die fünfzehnhundert Mark, und Sie erhielten dann auch eine Anstellung, bei der Sie sich gegen jetzt glanzvoll ständen.“
Wieder ging der Schließer eine Weile hin und her. Um ihm die Sache plausibel zu machen, fuhr der Agent fort:
„Übrigens können Sie diese Angelegenheit doch so ordnen, daß kein Mensch einen Verdacht gegen Sie hegen kann. Könnten Sie denn die Schlüssel nicht einmal heimlich wegnehmen, so daß man es nicht bemerkt, und dann den Gefangenen fortlassen? Überlegen Sie es sich schnell und geben sie uns eine bestimmte Antwort.“
Der Schließer trat zu seiner kranken, vermeintlichen Frau, horchte auf ihren Atem und flüsterte:
„Sie schläft. Sie hört es nicht. Also wenn ich tue, was Sie wollen, so zeigen Sie meinen Sohn nicht an?“
„Nein.“
„Und geben mir das Geld?“
„Ich gebe Ihnen den Wechsel; das Geld hat er sich ja bereits von dem Giranten geben lassen.“
„Und dann, wenn ich den Wechsel habe, ist keine Gefahr mehr für ihn?“
„Keine. Sie werden das Papier natürlich zerreißen, und dann ist kein Beweis mehr gegen ihn vorhanden.“
„Gut, gut! Ich gehe darauf ein. Stehen Sie von zehn Uhr an draußen an der Gartenpforte, durch die ich Sie heute eingelassen habe. Ich werde den Gefangenen dorthin bringen.“
„Schön. Sobald der Gefangene frei durch die Pforte tritt, erhalten Sie das Papier.“
„Sehr gut! Ich verlasse mich auf Sie!“
„Aber
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