54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
meinen Begleitern. Sorge, daß bei Normanns alle versammelt sind, doch ohne meine Ankunft zu verraten!
Steinbach.“
Infolgedessen war Sam zu Normann gegangen und hatte ihn gebeten, sämtliche Personen für heute abend zehn Uhr beisammenzuhalten. Als Grund hatte er angegeben, daß er den Herrschaften etwas Wichtiges mitzuteilen habe, aber nicht eher kommen könne.
Daraufhin hatte sich bei dem Maler die ganze Familie von Adlerhorst eingefunden, ferner Jim und Tim, Sendewitsch, kurz, alle Personen, die zu dem Schicksal der Familie in Beziehung standen und jetzt hier in Bad Wiesenstein anwesend waren.
Sie warteten auf Sam, der noch nicht erschienen war, obgleich es bereits zehn geschlagen hatte. Daß er noch nicht gekommen war, hatte seinen guten Grund. Er war nach dem Bahnhof gegangen, um Steinbach und dessen Begleitung abzuholen.
Als der Zug ankam, stieg der Genannte aus einem Waggon erster Klasse. Er hatte den Hut tief hereingezogen und den Kragen hoch emporgeschlagen, damit man ihn nicht erkennen möge.
Nach ihm stiegen aus: Gökala, seine Braut, und deren Vater, der dicke Tungusenfürst mit seiner noch umfangreicheren Frau, Georg von Adlerhorst mit Karpala, der Pflegetochter des fürstlichen Ehepaars, Peter Dobronitsch mit seiner Maria Petrowna, ihre Tochter Mila mit Alexander Barth, dem berühmten Zobeljäger, ihrem Verlobten, sodann zuletzt dessen Eltern, Karl Barth und dessen Frau.
Sam eilte auf sie zu, um sie zu begrüßen.
„Alles in Ordnung?“ fragte Steinbach.
„Ja, alles.“
„So wollen wir sofort zu Normanns Villa.“
„Aber Ihr Gepäck?“
„Das ist in der Residenz. Wir kommen von dort. Die Diener haben das Handgepäck. Sie werden Hotelwohnung besorgen. Unterwegs unterrichtest du mich schnell, soweit es notwendig ist.“
Die Herrschaften setzten sich in Bewegung. Neben Steinbach schritt Sam, um ihn in kurzer Weise über die gegenwärtigen Verhältnisse zu unterrichten.
Als Sam draußen am Gartentor von Normanns Villa klingelte, glaubte der letztere, Sam werde allein kommen.
Wie groß war daher die Überraschung, als jetzt die Tür geöffnet wurde und Steinbach, gefolgt von allen anderen, hereintrat.
„Ah! Herr Steinbach, Herr Steinbach!“ rief es von Mund zu Mund.
Das Erscheinen dieses von allen so verehrten und geliebten Mannes verursachte eine unbeschreibliche Freude. Alle, alle eilten auf ihn zu, um ihn zu begrüßen, denn es gab keine einzige Person, die ihm nicht etwas zu verdanken gehabt hätte.
Eben wollte ihm auch der Lord die Hand reichen, und er streckte schon den langen Arm aus, da fiel sein Blick auf Gökala.
„Sapperment!“ rief er aus, ganz steif vor Überraschung dastehend. „Ist das nicht – ist denn das nicht die schöne Dame aus Kairo, mit der ich redete, und die mir einen Brief an Sie mitgab? Wirklich, wirklich! Welch eine Überraschung! Ich lege mich Ihnen zu Füßen, Miß Gökala. Ich begrüße Sie mit dem größten Entzücken! Sie haben sich endlich auffinden lassen. Darüber wird niemand glücklicher sein als Steinbach.“
Frau von Adlerhorst und ihre Kinder suchten währenddessen mit fragenden Blicken unter den Neuangekommenen, denn sie wußten, daß Georg mit Steinbach eintreffen wollte. Sein Gesicht konnte die Züge der Adlerhorsts nicht verleugnen. Auch ihm sagte mehr die Stimme seines Herzens als sein Auge, welche der anwesenden Damen seine Mutter sei. Freudig eilte er auf sie zu.
„Irre ich mich nicht?“ rief er aus. „Sie sind – du bist –?“
„Georg, mein Sohn, mein Sohn!“
Frau von Adlerhorst streckte aufjauchzend die Arme aus, und Georg sank an ihre Brust. Beide hielten sich lange, lange umschlungen. Gleich herzlich wurde er auch von den Geschwistern begrüßt.
Die Szene dieses Wiedersehens war eine ergreifende und tief rührende. Aller Augen standen voller Tränen, und es dauerte lange, ehe die sich schnell folgenden Fragen einer bedächtigeren Redeweise Platz gaben.
Nun trat Georg zu Zykyma, und ihre Hände ergreifend, sagte er, ihr mit einiger Verlegenheit in das schöne Antlitz blickend:
„Daß ich auch dich hier begrüßen darf, macht meine Freude erst vollständig.“
„Hast du gewußt, daß du mich hier finden würdest?“ fragte Zykyma unbefangen.
„Ja. Steinbach sagte es mir. Er ist ein Meister im Arrangement von Überraschungen. Habt ihr meine Depesche empfangen?“
„Gestern schon.“
„Und – hast auch du sie gelesen?“
„Ja.“
„Ihr Inhalt – o sag, welchen Eindruck hat er auf dich
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