54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
schwimmen. So kommen sie schnell über die Grenze, während die Kosaken hier unten halten und denken, daß sie den Vogel noch unter dem Netz haben.“
„Sehr gescheit, sehr gescheit! Wie aber wollen sie erst an die Fähre kommen, da ihnen die Kosakenposten im Weg stehen?“
„Oh, das ist leicht. Einige starke Kerle unter ihnen schleichen sich zu Fuß voran, um einige der Posten zu überfallen. Das wird ihnen nicht schwer werden. Es ist ja leicht, einem ahnungslosen Menschen den Hals zuzudrücken, so daß er nicht schreien kann.“
„Hm! Hast du mit den beiden geredet?“
„Nein. Ich mag nichts mit ihnen zu tun haben. Das ist gegen das Gesetz.“
„Wenn du solchen Respekt vor dem Gesetz hast, so solltest du den Major benachrichtigen.“
„Der würde mir doch nicht glauben. Es ist stets am besten, man mischt sich nicht in fremde Angelegenheiten. Das habe ich schon oft erfahren, und das will ich auch hier beherzigen. Ich mag mir nicht die Finger an einem fremden Feuer verbrennen. Wenn die Kosaken ihre Schuldigkeit tun, werden sie die Flüchtigen nicht durchlassen. Mir macht die Sache keine Kopfschmerzen. Gehst du mit?“
„Wohin?“
„Ins Haus. Ich habe noch nicht gegessen.“
Nach diesem Gespräch entfernten sich Sam und der Tunguse.
Der Major hatte alles deutlich und genau verstanden. Er war höchst erfreut, diese wichtige Entdeckung gemacht zu haben, und eilte schleunigst nach seiner Hütte, um die Befehle zu geben, die seiner Ansicht nach den Umständen am angemessensten waren.
Er ließ den ganzen Vorpostenring sich trennen und nach der Stelle des Flusses ziehen, an der sich die Fähre befand. Dadurch war die Seite, nach der die Stanitza und die Grenze lag, von Kosaken vollständig entblößt, und das war es, was der schlaue Sam beabsichtigt hatte.
Letzterer wartete noch eine Weile und schlich sich dann nach dem Fluß hin, ganz auf die Art und Weise der Indianer, die er ja sehr genau kannte. Als er in der Nähe der Fähre angelangt war, überzeugte er sich, daß sein Plan gelungen sei. Die Kosaken standen in zwei dichten Reihen rechts und links an der Überfahrtstelle und warteten lüstern auf das Nahen der Verbannten, von denen sie annahmen, daß sie ganz ahnungslos in die ihnen gelegte Falle gehen würden.
Nachdem Sam jetzt Gewißheit hatte, daß auf der anderen Seite der Weg vollständig frei sei, schlich er sich höchst befriedigt zurück.
Als er auf dem Hof anlangte, sah er, daß der Major mit zweien seiner Offiziere angekommen war. Die Herren saßen bereits recht munter beim Abendessen, das zur allgemeinen Zufriedenheit verlief.
Später brachte Peter Dobronitsch Wein, der den Offizieren vortrefflich mundete. Doch tranken sie ziemlich mäßig, da sie von ihrem heutigen Vorhaben abgehalten wurden, des Guten zuviel zu tun.
Als elf Uhr vorüber war, erhob der Major sich von seinem Stuhl und sagte:
„Peter Dobronitsch, wir sprechen dir unseren Dank für deine Gastfreundschaft aus. Es hat uns ganz vortrefflich geschmeckt.“
„Das freut mich“, antwortete der Wirt. „Aber ihr wollt doch nicht etwas schon jetzt aufbrechen?“
„Allerdings. Wir haben etwas vor, was dich sehr interessieren wird. Willst du uns nicht ein Stückchen begleiten? Wir können es nicht verlangen, aber wir bitten dich darum. Du wirst ein Vergnügen erleben.“
„So gehorche ich euch. Ich gehe mit.“
Dobronitsch brach auf, ohne etwas für sich zu besorgen, denn Gesicht und Stimme des Offiziers waren sehr freundlich. Aber als sie draußen angekommen waren und sich ein Stück vom Haus entfernt hatten, sagte der Major in einem ganz anderen, viel ernsteren Ton zu ihm:
„Peter Dobronitsch, ich fordere dich auf, mir die Wahrheit zu sagen! Bist du ein Freund der sogenannten ‚armen Leute‘ oder nicht?“
„Ich bin ein Freund aller Menschen.“
„Das genügt mir nicht. Ich verlange eine deutliche Antwort auf meine deutliche Frage.“
„So will ich dir sagen, daß ich ein Freund aller Untertanen bin, die ihre Pflicht stets erfüllen.“
„Gut! Wenn das wahr ist, wirst du den ‚armen Leuten‘ keine Hilfe leisten. Aber dennoch hältst du sie bei dir verborgen!“
„Bei mir? Nein.“
„Weißt du nicht, wo sie sind?“
„Nein.“
„Auch nicht, wohin sie wollen?“
„Auch das nicht.“
„So weiß ich mehr als du. Sie sind noch da! Ich kenne sogar den Ort, wo sie sich befinden und auch die Stelle, wo sie durch meine Posten wollen.“
„Das ist eine Täuschung.“
„Nein. Es ist die Wahrheit. Ich
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