54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
Gesichter. Wir müssen zunächst nach der Wohnung des Kommandanten, denn dort befinden sich jedenfalls die Schlüssel zu dem famosen Zeughaus und auch noch andere Dinge, deren wir bedürfen. Schwarz müssen wir uns machen, damit die Bewohner des Hauses unsere Gesichter nicht sehen. Während wir dort sind, bleiben die anderen hier ganz lautlos halten, um unsere Rückkehr zu erwarten.“
Sein Befehl wurde befolgt, und dann begab sich der kleine Trupp nach dem eng an dem Wall stehenden Haus. Die Läden desselben waren zu. Durch ihre Ritzen aber drangen dünne Lichtstreifen heraus. Man war also im Inneren noch wach. Sam schlich sich an einen der Läden, der die größte Lücke zu haben schien, und blickte durch dieselbe in die Stube.
Er sah ein ziemlich gut ausgestattetes Gemach, in dem eine Frau saß, die las. Weiter war kein Mensch vorhanden. Dann trat der Kosak Nummer Zehn zu ihm und schaute auch hinein.
„Das wird die Frau des Majors sein“, sagte er. „Wollen wir anklopfen?“
„Nein. Das wäre nicht klug gehandelt. Sie würde, bevor sie öffnet, fragen, wer wir sind.“
„Nun, wie wollen wir denn hinein?“
„Durch das Dachfenster. Ich habe es mir schon am Tag angesehen. Ich werde eine Leiter holen.“
„Aber es ist finster im Haus, und wir kennen die Örtlichkeiten nicht. Das wird Lärm geben.“
„Ich habe mich vorgesehen und mir ein Talglicht mitgenommen. Beim Licht desselben werden wir so leise wie möglich uns bewegen können. Warte ein wenig.“
Sam schlich sich hinter das Haus. Er hatte sich die Stelle, an der die Leiter lag, sehr genau gemerkt und kehrte bald mit derselben zurück.
Nun schritt er den anderen voran auf den Wall und legte die Leiter von der Kante desselben hinüber auf das Dach, so daß sie gerade in das noch immer offenstehende Fenster reichte.
„Ich steige zuerst hinüber“, sagte er. „Sobald ihr drüben mein Licht brennen seht, kommt ihr nach.“
Dann setzte er sich auf die Leiter und griff sich hinüber. Drüben stieg er ein, zog das Licht heraus und brannte es an. Beim Schein desselben sah er, daß er sich in einer kleinen Kammer befand, die nichts als allerlei Gerümpel enthielt. Die Tür konnte nicht verschlossen werden und war mit einer einfachen Kette versehen.
Jetzt kamen auch die anderen nach.
„Zieht die Stiefel aus“, gebot Sam, indem er ihnen mit dem Beispiel voranging.
Als sie dasselbe befolgt hatten, wurde die Tür geöffnet. Gar nicht weit von derselben führte die Treppe hinab. Gegenüber war eine zweite Kammertür, hinter der ein lautes Schnarchen zu hören war.
Sam stellte dort einen Wächter auf, der verhindern sollte, daß von dort aus eine Störung erfolgte. Dann stiegen sie leise die Treppe hinab.
Links lag die Wohnstube, in die sie vorhin durch den Laden geblickt hatten. Die auf der rechten Seite gelegene Tür war verschlossen. Man konnte annehmen, daß sich da irgendein Wirtschaftsraum befand, in dem keine Bewohner des Hauses zu vermuten war.
Jetzt löschte Sam sein Licht wieder aus.
„Treten wir sogleich hinein?“ fragte Jim.
„Nein“, antwortete der Dicke. „Die Frau könnte vor Schreck des Todes sein. Wir klopfen an.“
Als er es gleich darauf tat, erfolgte drinnen jedoch keine Antwort. Die Dame schien bereits durch das Klopfen so erschreckt zu sein, daß sie nicht reden konnte. Nun öffnete Sam, aber so, daß er zwar hineinblicken konnte, aber sein schwarzes Gesicht nicht zu sehen war, und sagte in freundlichem Ton:
„Erschrick nicht, Mütterchen! Wir kommen nicht als Feinde zu dir.“
Die Frau war vom Stuhl aufgesprungen und stand ganz steif und bewegungslos im Zimmer.
Als die Männer eintraten und sie die Gesichter erblickte, wollte sie schreien, doch, obwohl sie den Mund öffnete, brachte sie doch keinen Laut hervor und fuhr sich nur mit beiden Händen nach dem Herzen. Das war die einzige Bewegung, deren sie fähig war.
„Wir sind heute zwar Mohren, sonst aber ganz gute Leute“, sagte jetzt Sam. „Wir werden dir nichts tun.“
„Mein Gott!“ stieß sie endlich hervor. „Ihr – ihr – seid Räuber!“
„O nein. Wir nehmen dir nichts, nicht einen Rubel, nicht eine einzige Kopeke. Wir möchten dich nur bitten, uns einige Fragen zu beantworten, mein gutes Mütterchen.“
„Wer seid ihr denn?“
„Wir sind ‚arme Leute‘.“
„Doch nicht diejenigen, die mein Mann sucht?“
„Ja, gerade diese sind wir. Er meint es nicht gut mit uns. Dennoch aber werden wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Du
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