55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Samtaugen, in denen sein Blick sich ein ganzes Leben lang hätte versenken mögen. Die Dame sah ihn offen und freundlich an und sagte:
„Ich verzeihe Ihnen und sage Ihnen herzlichen Dank, Monsieur!“
„Darf ich fragen, ob Sie noch weit zu gehen haben?“
„Einige Straßen weit.“
„Ich weiß, daß Sie wünschen werden, wieder allein zu sein; aber wenn ich denke, daß Sie leicht eine ähnliche Begegnung haben können, so halte ich es für meine Pflicht, Sie noch nicht zu verlassen. Befehlen Sie, was geschehen soll!“
Sie blickte forschend die Straße hinab, und da sie dort mehrere militärische Gruppen bemerkte, so antwortet sie zögernd:
„Ich darf Sie doch kaum belästigen; aber da unten gibt es wieder Russen. Wollen Sie erlauben, daß ich mich Ihnen anvertraue?“
„Wie gern, wie sehr gern, Mademoiselle!“
Sie fühlte, als er diese Worte sprach, einen unwillkürlichen freudigen Druck seines Armes. War sie hier etwa aus dem Regen in die Traufe gekommen? Sie blickte fast erschrocken zu ihm auf. Aber seine Stimme hatte so bescheiden geklungen, und sein offener Blick ruhte so mild auf ihrem Gesicht, daß sie sich beruhigte.
So schritten sie nebeneinander her durch mehrere Straßen, ohne den Versuch zu machen, ihre Unterhaltung fortzusetzen. Aber zwischen zwei jungen Herzen ist ein solches Schweigen beredter, als die bestgesetzte Rede. Die Bewegung des Gehens und besonders das Einbiegen aus einer Straße in die andere, brachte es mit sich, daß ihre Arme sich enger aneinander legten. In solchen Momenten fühlte er eine eigentümliche sympathische Wärme von ihr auf sich übergehen. Beide Blicke trafen sich unwillkürlich; sie errötete dann allemal leicht und senkte die langen Wimpern nieder, während es ihm war, als habe er sich aus der Tiefe ihres Auges ein süßes Eigentum herausgeholt. Und als sie endlich vor dem Portal eines Hauses stehen blieb, deuchte es ihm, als sei er nicht einige Minuten, sondern jahrelang an ihrer Seite gewesen.
„Hier wohne ich, mein Herr!“ sagte sie.
„So muß ich Sie verlassen!“
Sie hörte deutlich, daß ein Seufzer diese Worte emporgetragen hatte. Ihr großes dunkles Auge richtete sich mit einem so warmen, ehrlichen Blick auf ihn, daß er sie hätte an sein Herz ziehen mögen, und dabei fragte sie:
„Sie sagten, daß Sie bei den Ziethenhusaren stehen, Monsieur. So sind Sie ein Preuße?“
„Ja.“
„Wissen Sie, daß wir hier in Paris die Preußen hassen?“
„Daran tun Sie Unrecht, Mademoiselle. Man soll keinen Menschen hassen, ohne genau zu wissen, daß er den Haß auch wirklich verdient.“
„Sie wollen sagen, daß Sie unseren Haß nicht verdienen?“
„Wenigstens den Ihrigen möchte ich mir um keinen Preis verdienen. Ich bin als Soldat hier, weil es meine Pflicht war, meiner Fahne zu folgen, aber ich hasse keinen Franzosen um des Umstandes willen, daß er ein Franzose ist.“
„Ja, so sehen Sie mir aus, Monsieur, so gut und bieder. Darum will ich auch bei Ihnen die einzige Ausnahme von der Regel machen, welche ich einzuhalten pflege. Sie haben mich so freundlich beschützt; ich lade Sie ein, Mama und mich zu besuchen, falls Ihnen mein Wunsch, Sie Mama vorzustellen, nicht unangenehm ist.“
Sein Gesicht strahlte eine ehrliche, ungeschminkte Freude aus, die das Herz des schönen Mädchens gefangennahm. Er antwortete:
„Unangenehm? O nein, ich bin im Gegenteil von Herzen erfreut über diese Ausnahme und werde Ihrer Einladung folgen, wenn Sie mir die Stunde sagen wollen, in welcher ich Sie nicht störe.“
„So kommen Sie um drei Uhr, Monsieur. Haben Sie um diese Zeit Dienst?“
„Nein. Ich werde sicher kommen.“
„Hier ist meine Karte!“
Sie zog ein kleines, zierliches Kärtchen hervor, auf welche er jetzt seinen Blick noch nicht zu werfen wagte, dann nickte sie ihm vertraulich zu, wie einem alten, lieben Bekannten, ehe sie in der Tiefe des Hausflurs verschwand.
Fast hätte der Glückliche die Karte an seine Lippen gedrückt. Er hatte bereits die Hand erhoben, es zu tun, dachte aber noch zur rechten Zeit daran, daß er sich in einer sehr belebten Straße befinde, wo man seine Begeisterung belächeln werde.
Erst als er eine bedeutende Strecke zurückgelegt hatte, las er den Namen, welcher auf der Karte stand. In feinen, dünnen Zügen stand da gedruckt ‚Margot Richemonte, Rue d'Ange 10‘. Fast hätte er den Schritt angehalten.
„Margot Richemonte?“ fragte er sich. „Hieß nicht der Gardekapitän auch Richemonte, welcher
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