55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
wäre eine Beleidigung für Sie gewesen, wenn ich dieselbe desavouiert hätte. Ich hätte dies auch gar nicht vermocht, da wir Ihre Wohnung nicht kennen. Sollten Sie mit der Erwartung gekommen sein, hier ein Amüsement zu finden, so wird diese Erwartung wohl schwerlich erfüllt werden, Monsieur. Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte, und ich hoffe, daß Sie sich nicht davon beleidigt fühlen.“
„Beleidigt?“ fragte er. „Sie haben die vollste Berechtigung, so zu sprechen, Madame. Sie bedienen sich eines ganz bezeichnenden Ausdruckes, indem Sie von jenem Sport sprechen. Die Offiziere aller Länder sind sich in dieser Beziehung gleich. Ich hasse, ich verachte diesen Sport gleich Ihnen. Ich sehe in dem Menschen nicht ein Geschöpf, welches nur die Aufgabe hat, mich zu erheitern, mir die Zeit zu verkürzen. Ich bin gewohnt, das Leben von der ernsten Seite zu nehmen, und es freut mich, in Ihnen eine gleichgesinnte Natur zu entdecken. Gerade die gegenwärtige Zeit ist eine ernste, und ich habe wirklich nicht die Absicht, eine Minute von ihr zu vertändeln. Ich habe Fräulein Margot einen kleinen Dienst erwiesen, wie ich ihn jeder Dame erweisen würde; das ist nur Pflicht, das begründet keinen Anspruch auf Ihre besondere Dankbarkeit. Desto mehr bin ich erfreut gewesen über die Erlaubnis, mich Ihnen vorstellen zu dürfen. Beunruhigt Sie jedoch meine Gegenwart, so bin ich bereit, Sie sofort zu verlassen.“
Er erhob sich von seinem Sitz. In ihrem Auge glänzt etwas wie ein stilles, zufriedenes Lächeln. Sie winkte ihm mit der Hand zu, sitzen zu bleiben und sagte:
„Ich möchte annehmen, daß Margot sich nicht geirrt hat, ich finde Sie so, wie Sie von ihr geschildert worden sind. Bleiben Sie, Monsieur, und versuchen Sie, der Unterhaltung zweier einsamer Damen einigen Geschmack abzugewinnen! Besitzen Sie auch eine Mutter?“
„Leider nicht mehr, Madame. Meine Eltern sind tot.“
„Das ist ein schwerer Verlust. Aber vielleicht haben Sie Geschwister?“
„Auch nicht. Ich stehe allein in der Welt. Ich lebe meiner Pflicht und in den Mußestunden meinen Büchern, die meine aufrichtigsten Freunde sind.“
In dieser Weise wurde die Unterhaltung noch ein Weilchen fortgesetzt, bis Margot eintrat. Sie trug ein einfaches Hauskleid und sah in demselben so reizend hausmütterlich, so wirtschaftlich aus, daß ihm das Herz weit wurde. Als sie ihm die Hand reichte, breitete sich ein leises Rot über ihre Wangen aus. Er sah, daß er ihr nicht unwillkommen sei, und war ganz glücklich darüber.
Auch die Mutter wurde später heiterer. Sie schien Vertrauen zu dem Deutschen zu fassen, und als er sich verabschiedete, erlaubte sie ihm, morgen um dieselbe Zeit wiederzukommen.
Er ging, ganz erfüllt von dem Eindruck, den das schöne Mädchen auf ihn gemacht hatte. Noch glücklicher wäre er gewesen, wenn er gehört hätte, was nach seinem Fortgang über ihn gesprochen wurde.
„Dieser junge Mann ist wirklich anders, als die Leute seines Alters und die Herren seines Standes“, sagte Frau Richemonte. „An ihm könnte Albin sich ein Beispiel nehmen. Wo er nur wieder bleibt? Er hat sich seit zwei Tagen nicht sehen lassen.“
„Vielleicht kommt er jetzt“, sagte Margot.
Es hatte geklingelt. Die beiden Damen zeigten keineswegs jene freudige, erwartungsvolle Miene, welche das Nahen einer gern gesehenen Person verkündet.
„Monsieur le Baron de Reillac!“ rief das Mädchen zur Tür herein.
Und nach diesem Ruf erschien auch sogleich der Genannte im Zimmer. Er war ein langer, sehr hagerer Mann. Er mochte vielleicht fünfundvierzig Jahre zählen, trug sich aber trotzdem ganz wie ein junger, lebenslustiger Elegant gekleidet. Man hätte ihn nicht häßlich nennen können, aber er hatte doch, alles in allem, etwas an sich, was bereits beim ersten Blicke verhinderte, Sympathie für ihn zu fühlen.
Er verbeugte sich auf eine höchst stutzermäßige Manier, tänzelte erst zur Mutter und dann zur Tochter, um ihnen die Hand zu küssen, und fragte dann, sich niedersetzend:
„Ich habe drüben geklingelt, aber keine Antwort erhalten, Monsieur Albin befindet sich wohl nicht zu Hause?“
„Ich habe ihn seit gestern nicht gesehen“, antwortete Frau Richemonte. Und mit einem trüben, vorwurfsvollen Blicke fügte sie hinzu: „Ich darf wohl annehmen, daß er sich in Ihrer Gesellschaft befunden hat?“
„Allerdings“, antwortete der Gefragte. „Wir waren am Tag ausgefahren und abends im Club, wo man vieles und ausführliches zu besprechen
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