55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
hatte. Man hält das Exil des Kaisers nicht für ein ewiges. Man fragte bereits, wie man sich zu verhalten haben wird, wenn er zurückkehrt, um seine Rechte geltend zu machen –“
„Um Gottes willen, welche Unvorsichtigkeit!“ rief die Witwe. „Noch sind die Sieger in unseren Mauern, und Sie fangen bereits zu konspirieren an!“
„Keine Sorge!“ lachte der Baron. „Man ist vorsichtig! Man ist klug; wenigstens in dieser Beziehung. In anderer freilich ist man desto unkluger. Werden Sie dies glauben, Madame?“
Es lag ein Nachdruck in seinem Ton, der sie schnell aufblicken ließ.
„Ich weiß nicht, was Sie meinen!“ sagte sie.
„Oh“, sagte er, süßlich lächelnd, „ich meine nur, daß ich in Beziehung auf Politik meinen Mann stelle, in geschäftlicher Hinsicht aber viel zu nachsichtig bin.“
Frau Richemonte hustete leise in das Taschentuch und meinte: „Sind Sie vielleicht gekommen, um über Geschäfte mit mir zu sprechen, Herr Baron?“
Er räusperte sich, wie sich das Raubtier die Krallen wetzt, ehe er sich auf seine Beute wirft, und antwortete dann:
„Eigentlich nicht. Ich wollte Monsieur Albin sprechen. Er gab mir gestern abend sein Ehrenwort, heute zu Hause zu sein.“
„Sein Ehrenwort?“ fragte die Dame. „Das ist doch ganz unmöglich!“
„Warum unmöglich, Madame? Zweifeln Sie vielleicht an meiner Wahrheitsliebe?“
„Dies will ich nicht sagen. Aber wenn Albin Ihnen sein Ehrenwort gibt, wird er es auch halten. Er ist Offizier.“
Der Baron zuckte die Achseln.
„Offizier? Ja. Sogar Kapitän der Garde! Aber pah! Man kann trotzdem sein Ehrenwort brechen. Gibt es doch Kapitäne der Garde, welche sich ungestraft ohrfeigen lassen!“
Die Dame erbleichte.
„Was meinen Sie?“ fragte sie. „Sie wollen doch nicht sagen, daß mein Stiefsohn –“
Sie hielt inne. Es wurde ihr zur Unmöglichkeit, das Wort auszusprechen; der Baron jedoch tat es an ihrer Stelle:
„Daß Ihr Stiefsohn geohrfeigt worden ist? Ja, gerade dies will ich sagen.“
Da sprang die Frau von der Chaiselongue auf und rief:
„Sie lügen, Baron!“
Auch Margot hatte ihren Sitz verlassen; sie war an die Seite der Mutter getreten, wie um ihr beizustehen gegen alle Angriffe des Ärgers und der Betrübnis.
„Ich lüge?“ fragte der Baron. „Monsieur Albin hat es mir selbst erzählt, und auch im Club wurde leise davon gesprochen. Es sind drei Herren dabeigewesen, mit denen er am Spieltisch gesessen hat. Er hat die Deutschen Hunde genannt und den Feldmarschall Blücher, welcher zugegen gewesen ist, einen Flegel. Dafür hat er von einem deutschen Offizier, dessen Forderung er ausschlug, einige Dutzend Ohrfeigen erhalten.“
„Mein Gott, welche Schmach!“ rief Frau Richemonte, auf ihren Sitz zurücksinkend.
Aber es lag in ihrem Ausruf nicht der Aufschrei eines zerrissenen Mutterherzens; es klang wie Verachtung, die tiefste, unheilbarste Verachtung.
„Wenn solche Dinge geschehen, so werden Sie auch die Möglichkeit zugeben, daß er sein Ehrenwort bricht, Madame“, fuhr der Baron fort. „Er hat mir versprochen, am Nachmittag zu Hause zu sein.“
„Ah, so handelt es sich auch hier um eine Ehrensache?“
„Natürlich! Man arrangierte im Club ein kleines Spielchen, an welchem sich auch Monsieur Albin beteiligte. Er hatte Unglück, ich schoß ihm fünftausend Franken vor, die er mir heute drei Uhr nachmittag in seiner Wohnung zurückzugeben versprach. Ich komme um fünf Uhr, und dennoch ist er nicht hier.“
„Mein Gott, auch das noch!“ klagte die Dame. „So wächst seine Schuld ja doch in das Riesenhafte!“
Der Baron nickte mit dem Kopf und antwortete:
„Sie haben Recht, meine Gnädigste! Haben Sie eine Ahnung, wieviel er mir bereits gegen Wechsel schuldet?“
„Wie sollte ich das wissen?“
„Über zweimal hunderttausend Franken.“
„Zweimal hund –!“
Das Wort blieb ihr auf der Zunge liegen. Margot war schreckensbleich geworden. Der Baron beobachtete die beiden mit einem versteckten, siegesgewissen Lächeln.
„Aber das ist ja die reine Unmöglichkeit. Das ist ganz unglaublich!“
Bei diesen Worten der Dame zuckte der Baron die Achseln und antwortete:
„Unglaublich? Warum? Monsieur Albin hat sehr noble Passionen. Er spielt hoch; verehrt dieser oder jener Tänzerin ein Geschmeide im Werte von zehntausend Franken. Vermögen hat er nicht mehr. Gehalt erhält er nicht, da der Kaiser gefangen ist. Wie bald ist da ein solches Sümmchen emporgelaufen!“
„So mag er sehen, wie er es
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