55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
überwunden worden war.
„Ich verstehe Sie nicht, Mademoiselle“, sagte er. „Ich kenne nur eine einzige Weise. Nur die Liebe macht glücklich, ohne sie kann man es niemals sein.“
„Sie irren. Denken Sie sich einen recht grimmigen Haß, einen recht glühenden Rachedurst. Diesen befriedigt zu sehen, muß auch ein Glück sein!“
„Allerdings, aber ein Glück für einen Teufel“, antwortete er.
Sie erhob mit einem raschen Aufschlag ihrer Augen den Blick zu ihm empor, sah ihn forschend an und fragte:
„Also nehmen Sie doch an, daß auch ein Teufel glücklich sein könne?“
„Ein teuflisches, das heißt, ein verdorbenes Gemüt? Ja, aber nur für einen Augenblick. Ich möchte wohl an einem Beispiel erfahren, wie man dauernd durch Befriedigung seiner Rache sich glücklich fühlen könne.“
Er war jetzt Diplomat, und kein schlechter. Er sprach diese Frage aus, um in ihr Geheimnis einzudringen. Sie durchschaute ihn glücklicherweise nicht und antwortete:
„Ich will versuchen, Ihnen ein Beispiel zu geben. – Denken Sie sich ein Mädchen, jung, schön, edel und gut. Sie besitzt alle Eigenschaften, einen Mann glücklich zu machen. Da kommt ein Bösewicht, welcher sich von ihren Reizen gefesselt fühlt. Er trachtet, ihre Hand zu erlangen, wird aber abgewiesen. Hierauf beginnt er, im stillen seine Minen zu graben. Er bemächtigt sich ihrer Anverwandten; er verführt dieselben, er stürzt sie in Sünde, Laster und Schande und schwört, die Unglücklichen nicht eher wieder loszugeben, als bis sie losgekauft werden. Der Preis ist die Hand des Mädchens.“
„Und dieses? Das Mädchen? Was tut es?“
„Sie reicht dem Bösewicht die Hand, um die Ihrigen zu retten.“
„So hat es wohl nie geliebt oder besitzt ein großes, erhabenes Herz, einen seltenen Opfermut und ein felsenfestes Vertrauen, den Bösewicht durch ihren Einfluß zu bessern.“
„Nein, das will sie nicht. Sie will ihn strafen.“
„Ah. Sie widersprechen sich, Mademoiselle. Vorhin sagten Sie, das Mädchen reiche ihm ihre Hand, um die Ihrigen zu retten, und jetzt sagen Sie, um ihn zu strafen.“
„Ja, sie will ihn strafen, fürchterlich strafen. Er soll in seiner Frau einen Himmel sehen, in den er nie gelangen kann. Er soll in grimmiger Qual nach dem Trank schmachten, der ihm nahe vor der Lippe perlt und dennoch verdursten.“
„Dieses Mädchen ist ein Teufel, Mademoiselle. Sie nannten es vorhin edel und gut. Das gerade Gegenteil konnten Sie sagen. Ein solcher Plan kann nur im Augenblick des höchsten Zorns, der Verzweiflung gefaßt werden, aber kein fühlend Weib wird ihn ausführen. Ein edles, gutes Mädchen wird von einem solchen immerwährenden Henkerwerk zurückschaudern. Denken Sie sich dann die Betreffende mit ihrem Opfer fürs ganze Leben allein, vielleicht auf einer wüsten Insel. Muß sie nicht an dem Anblick des Glückes anderer zugrunde gehen? Vielleicht begegnet sie einem Mann, dem ihr ganzes Sein und Wesen entgegenfliegen möchte, und doch ist sie an ihr Opfer gefesselt. Nun wird sie zum Tantalus, welcher unendliche Qualen erduldet. Ist es notwendig, daß sie den Schuldigen bestraft? Gibt es nicht einen höheren Richter? Ist nicht das wahre Gottvertrauen der größte Schatz des Weibes? Sollte Gott die Ihrigen nicht retten können, ohne daß sie ein so schreckliches Opfer bringt?“
Er hatte recht. Sie hatte den Plan nur im Augenblick des höchsten Zorns gefaßt. Jetzt stellte er ihr denselben in einem Licht dar, vor welchem sie erschrak. Er verstand und begriff sie; er wußte, daß sie von sich selbst gesprochen hatte, und bei diesem Gedanken krampfte sich sein Herz zusammen. Es wurde ihm angst, und in diesem Gefühl ergriff er ihre Hand und fuhr fort:
„Sie entrollen da ein fürchterliches Bild vor mir. Haben Sie es vielleicht Dantes Hölle entlehnt? Ich wiederhole es: Das Weib, von dem Sie sprechen, würde ein Teufel sein; es würde nicht quälen, sondern gequält werden, und zwar durch sich selbst. Es gibt auf Erden keine Lage, welche hoffnungslos ist. Zerreißen Sie dieses Bild, und werfen Sie die Fetzen von sich; sie erregen Abscheu und Ekel!“
Sie hatte ihm aufmerksam zugehört. Die Blässe war von ihren Wangen gewichen; die Röte der Scham hatte auf denselben Platz genommen. Dennoch aber machte sie noch einen Versuch, sich zu verteidigen:
„Wenn es aber keinen anderen Rettungsweg gibt?“
„Wer kann das behaupten, Mademoiselle? Wir Menschen sind kurzsichtig, zuweilen sogar blind. Was uns leicht dünkt, ist
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