55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
blendendes Gebiß zu sehen war, das demjenigen eines Hundes glich, der sich anschickt, sich auf seinen Gegner zu werfen.
Nie sprach der Kapitän zu einem der Arbeiter ein Wort, nie lobte oder tadelte er; aber man wußte, daß er die eigentliche Seele des ganzen Unternehmens sei. Wenn er an der Werkbank, am Amboß, am Glühofen stehenblieb, dann nahmen sich die Leute doppelt zusammen. Beim geringsten Fehlgriff fletschte er die Zähne, kniff die Augen zusammen und entfernte sich schweigend; doch nach einigen Minuten kam sicher der Werkmeister und sagte sein unwiderrufliches: „Abgelohnt und entlassen!“
Schritt dann der Alte wieder dem Schloß zu, so atmeten die Leute erleichtert auf und schüttelten den Druck ab, welcher während seiner Gegenwart auf ihnen gelastet hatte.
Außer den Besuchen in der Fabrik war er nie zu sehen, obgleich der Oberförster versicherte, ihm des Nachts im Wald begegnet zu sein im tiefsten Dickicht, in der Nähe des alten Turms, welcher dort seit langen, langen Zeiten stand, aber von jedermann gemieden wurde; da man wußte, daß mit den Gespenstern, welche dort hausten, nicht zu spaßen sei. Allerdings gab es einige wenige Männer, welche im stillen über den Aberglauben lachten, in Gegenwart anderer jedoch sich den Anschein gaben, als ob sie denselben teilten.
Seit einiger Zeit hatte sich die Zahl der Arbeiter in der Fabrik vermehrt. Es war eine Abteilung für Feuergewehre errichtet worden. Es langten, man wußte nicht woher, ganze Wagenladungen alter Gewehre an, welchen eine neuere Konstruktion gegeben wurde. Hatten sie diese erhalten, so verschwanden sie, ohne daß die Arbeiter wußten, wer sie abgeholt habe. Dann wurden auch bedeutende Vorräte von Hieb- und Stoßwaffen geschmiedet, und diese Abteilung der Fabrik war es, welcher der alte Kapitän seine besondere Aufmerksamkeit widmete, allerdings auch, ohne jemals den Mund zu einem lauten Wort zu öffnen.
Von seinem Sohn, dem Baron, erzählte man sich heimlich, daß er zuweilen nicht recht bei Sinnen sei. Es solle Zeiten geben, in welchen er sich tagelang eingeschlossen halte, und dann sei in seinen Gemächern ein unterdrücktes Wimmern und Stöhnen zu vernehmen. Dann werde der alte Kapitän gerufen, und nachdem dieser sich stundenlang bei seinem Sohn aufgehalten habe, lasse dieser sich wieder sehen, bleich und angegriffen, als ob er von einer langen, gefährlichen Krankheit erstanden sei.
Der Baron war ein schöner Mann, doch mit jenem geheimnisvollen, wachsartigen Teint, welcher immer auf eine eigenartige, vielleicht gar krankhafte Stimmung der Psyche schließen läßt; sein großes Auge war wie mit Flor bedeckt, und in seinem Auftreten lag eine ängstliche Scheu, deren Grund sich nicht ersehen ließ.
Ganz anders dagegen war seine zweite Frau, die Baronin. Sie war eine hohe, mehr als üppig ausgestattete Blondine, von der man wußte, daß sie das ganze Schloß regiere und sich unter Umständen sogar an den alten Kapitän wage, vor dem sich sonst jedermann fürchtete. Ihr Auftreten war ein anspruchsvolles, zuweilen beinahe rücksichtsloses, obgleich man sich sagte, daß es auch bei ihr Augenblicke gebe, in denen sie sehr leicht zu beeinflussen sei.
Die meiste Sympathie hatte Baronesse Marion sich zu erringen gewußt. Leider aber war sie seit zwei Jahren in England gewesen, und man erfuhr nur ganz zufällig, daß sie in nächster Zeit über Deutschland heimkehren werde.
Im Gegensatz zu ihr war ihr Stiefbruder der Plagegeist aller, welche mit ihm in Berührung kamen. Von seiner Mutter verwöhnt und von seinen bisherigen Erziehern verzärtelt, war er das einzige Wesen, dem der alte Kapitän sein Herz geschenkt zu haben schien. Dieser machte ihn fortgesetzt darauf aufmerksam, daß er der Sohn der Sainte-Maries sei, deren Familie nur auf diesem einen Auge stehe. Der Knabe wurde dadurch stolz, hochmütig, befehlshaberisch und begann, sich für etwas unendlich Höheres und Besseres zu halten, als andere. Seine größte Freude war, Untergebenen und Arbeitern zu zeigen, daß sie ihm in allen Stücken zu gehorchen hätten, und wehe dem, der ihm widersprach; er war von Seiten des Knaben und seiner Eltern der unerbittlichsten Ungnade verfallen.
Es war des Vormittags. Wer an der Tür des Badezimmers der Baronin von Sainte-Marie gelauscht hätte, dem wäre ein leises Plätschern aufgefallen, welches im Innern zu hören war. Und wer das Glück gehabt hätte, eintreten zu dürfen, dem wäre gewiß die laszive Ausstattung dieses Raumes
Weitere Kostenlose Bücher