55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Schurken meinen Kaiser in Ketten schmiedeten, auf einem fernen, abgeschlossenen Eiland, wie einen Prometheus, den man nicht zu entfesseln wagt, weil dann die Völker aus Angst vor ihm heulen würden.“
Die Erinnerung an den Ruhm und das Unglück seines Kaisers war in ihm wachgeworden. Er hatte sich erhoben und sprach mit lebhaften Gestikulationen. Seine dunklen Augen blitzen, und bei den Worten, welche sich auf St. Helena bezogen, stieg sein gewaltiger Schnurrbart empor, und seine Zähne zeigten sich, das Gebiß eines Panthers, welcher zum Sprung ausholt.
Da fiel sein Blick zufällig durch das Fenster auf den Weg hinab, welcher von den Eisenwerken nach dem Schloß führte. Seine Oberlippe fiel herab, seine Brauen zogen sich zusammen, und mit völlig veränderter Stimme fuhr er fort:
„Doch davon werden wir später sprechen, mein Sohn. Jetzt gehe hinab und sieh zu, ob der Groom das Pony eingeschirrt hat, um dich spazieren zu fahren.“
Das ließ sich Alexander nicht zweimal sagen; er eilte fort. Der Kapitän aber trat von neuem zum Fenster und heftete seine Augen mit finsterem Ausdruck auf den Mann, der langsam nach dem Schloß herbeigeschritten kam.
Dieser Mann hatte eine hohe, breite, kraftvolle Figur, und die Züge seines Gesichtes konnten interessant genannt werden. Er hielt den Blick scheinbar zu Boden gerichtet, als sei er in tiefes Nachsinnen versunken, aber wer ihn hätte beobachten können, dem wäre aufgefallen, daß sein Auge unter den gesenkten Lidern heraus forschend nach den Fenstern derjenigen Zimmer schielte, welche die Baronin bewohnte.
„Es wird hohe Zeit, dem Spaß ein Ende zu machen“, brummte der Kapitän, indem er das Fenster verließ, um von dem Mann nicht bemerkt zu werden. „Er war außerordentlich brauchbar und hat alles auf das trefflichste arrangiert. Er ist auch bisher verschwiegen gewesen; aber seit neuerer Zeit steigt er mir mit seinen Ansprüchen zu hoch. Ich habe ihm bisher die Baronin überlassen, welche leider meine Schwiegertochter ist; nun aber soll mir die Verirrung der beiden einen Grund liefern, mit ihm fertigzuwerden. Ich werde bei ihm aussuchen, und das wird mir leicht werden, da ich unsere Möbel kenne. Ein Glück ist es, daß noch kein Mensch um das Geheimnis dieses alten Schlosses weiß.“
Er trat an seinen Schrank und öffnete ihn. Er langte zwischen die Kleider hinein, und sogleich ließ sich ein leises Knarren vernehmen – die hintere Wand des Schranks wich zurück. Er trat in den Schrank, verriegelte die Tür desselben hinter sich und stieg in die entstandene Öffnung. Es zeigte sich, daß das Schloß hier, vielleicht auch in anderen Teilen, doppelte Wände hatte, zwischen denen man aus einem Stockwerk in das andere und von dem einen Zimmer in das andere gelangen konnte, um durch geheime Öffnungen die Insassen dieser Zimmer zu beobachten und zu belauschen.
Eine schmale, den ganzen, vielleicht zwei Fuß breiten Zwischenraum ausfüllende Treppe führte zwischen der Doppelwand abwärts. Der Alte schien den Weg sehr gut zu kennen. Er stieg trotz des Dunkels, welches hier herrschte, mit großer Sicherheit hinab und blieb an einer Stelle stehen, welche er vorsichtig mit der Hand betastete.
Es gab hier einen lockeren Ziegelstein, welcher sehr leicht aus der Mauer zu ziehen war. Als der Kapitän dies getan hatte, ohne dabei das leiseste Geräusch zu verursachen, erschien eine mattgeschliffene Glastafel. Diese war im Boudoir der Baronin ganz oben unterhalb der Decke angebracht und hatte so genau die Breite und auch ganz die Zeichnung der dort befindlichen Kante, daß man ihre Anwesenheit gar nicht bemerken konnte. Aber das eingeschliffene Muster bildete durchsichtige Stellen, durch welche man sehr leicht das Boudoir zu beobachten vermochte, und durch die dünne Glastafel konnte man auch die dort geführte Unterhaltung vernehmen, falls sie nicht im Flüsterton geführt wurde.
Der Alte brachte seinen Kopf an die Öffnung und blickte hinab. Die Baronin saß ihm gerade gegenüber auf einer Ottomane. Sie trug ein dünnes weißes, von rosaseidenen Schleifen zusammengehaltenes Morgenkleid; doch waren die Schleifen so nachlässig zusammengezogen, daß zwischen den beiden Säumen des Kleides die feine Stickerei des Hemdes hervorblickte. Da dieses Hemd tief ausgeschnitten war und unten nicht durch ein gewöhnliches Korsett, sondern durch ein schmales, dünnes und nachgiebiges orientalisches Mieder unterstützt wurde, so glänzte durch die Spalte der Alabaster der Büste
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