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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ungemein zurückhaltend sind?“
    Sie schmiegte sich an ihn und küßte ihn mit der Glut eines leidenschaftlichen, treulosen Weibes. Er wagte es kaum, diesen Kuß zu erwidern.
    „Auch Ihre Küsse sind kalt! Ich werde Sie zu strafen wissen, und zwar sofort!“
    „Womit?“ fragte er auf diese Drohung.
    „Damit, daß ich Ihnen sage, daß dieser Deutsche Ihnen bei mir gefährlich werden kann!“
    „Fi donc! Dieser buckelige Kerl!“
    „Wenn Sie ihn reiten, fechten und schießen gesehen hätten, so würden Sie ganz und gar nicht an diesen kleinen Fehler denken, an dem er doch unschuldig ist. Ich möchte wirklich wissen, ob er ebenso feurig küßt, wie er den Degen führt.“
    Es war klar, daß dieses Weib ihren vermeintlichen Liebhaber eifersüchtig machen und dadurch anregen wollte, seine Zärtlichkeit zu verdoppeln. Müller legte also die Arme fest um sie, drückte sie mit nachgeahmter Innigkeit fest an sich und vermochte es nun auch nicht zu verhindern, daß sie ihren Mund mit aller Kraft auf den seinigen legte, welches ihn fast in Verlegenheit brachte. Nicht nur ihre Lippen, sondern auch ihre Zunge waren bei diesem Kuß tätig. Da aber lösten sich plötzlich ihre Arme von ihm; sie fuhr zurück und sagte:
    „Was ist das? Sie haben ja ganz andere Zähne!“
    „Inwiefern?“ fragte er.
    „Ich habe ja noch heute morgen Ihre Zahnlücke gefühlt!“
    Er bemerkte, daß sein Inkognito sich in großer Gefahr befinde, und antwortete:
    „Hm, leicht erklärlich! Der Dentist brachte mir heute den bestellten Zahn.“
    „Ah, Sie lügen! Es fehlte Ihnen keiner; die beiden vorderen standen etwas zu weit auseinander. Zeigen Sie Ihre rechte Hand!“
    O weh, jetzt war die Schäferstunde vorüber, denn es fiel erst jetzt Müller ein, daß er heute während seines Gespräches mit dem Direktor bemerkt hatte, daß diesem, jedenfalls in Folge eines kleines Unfalles, an der rechten Hand ein Fingerglied fehlte.
    Sie hatte, ehe er es verhindern konnte, seine Hand ergriffen, welche sie befühlte. Kaum hatte sie bemerkt, daß diese vollständig sei, so sprang sie empor, um zu entfliehen. Ebenso schnell jedoch besann sie sich. Sie drehte sich wieder um und fragte:
    „Kennen Sie mich?“
    Sollte er sie schonen? Nein; sie war es nicht wert!
    „Ja“, antwortete er.
    „Nun, wer bin ich?“
    „Die Baronin de Sainte-Marie.“
    „Gut, so bitte ich um gleiche Karten! Wer sind Sie?“
    Er erhob sich und trat einen Schritt zurück.
    „Das werden Sie jetzt nicht erfahren, Madame.“
    „Jetzt nicht, aber später vielleicht?“
    „Möglich!“
    „So sagen Sie mir wenigstens, was Sie sind!“
    „Ich bin Offizier“, antwortete er.
    „Woher? In welcher Truppe?“
    „Das muß ich leider verschweigen.“
    „So lügen Sie! Ein Offizier ist gewöhnlich ein Ehrenmann, und ein solcher wird die Täuschung, in welcher sich eine Dame befindet, nicht in der Weise benutzen, wie Sie es getan haben.“
    „Unter Umständen kann er vielleicht dazu gezwungen sein, teure Baronin.“
    „Welche Umstände wären dies? Was wollen Sie des Nachts in Ortry? Ich kenne keinen Offizier, welcher das Recht oder die Erlaubnis hätte, zu dieser Stunde hier zu verkehren.“
    Was sollte er antworten? Da kam ihm die beste Ausrede, die es geben konnte:
    „Denken Sie an Paris!“
    „Ah, Sie haben mich in Paris gekannt?“
    „Halten Sie dies für unwahrscheinlich? Kann Sie jemand vergessen, der Sie dort gesehen und bewundert hat?“
    „Und Sie wollen sich mir wirklich nicht entdecken?“
    „Heute noch nicht, meine Gnädige.“
    „So geben Sie mir Ihr Ehrenwort, daß Sie mich nicht verraten und den Inhalt unserer Konversation keinem Menschen mitteilen wollen!“
    „Ich verspreche Ihnen gern, auf diese schöne Stunde nur Ihnen gegenüber zurückzukommen. Ist Ihnen dies genug?“
    „Ja, aber Ihr Gesicht muß ich dennoch sehen.“
    Sie trat rasch zu ihm heran, warf die schönen, üppigen Arme um seinen Nacken und versuchte, seinen Kopf tiefer zu ziehen. Es gelang ihr nicht.
    „Dann bitte wenigstens noch einen Kuß!“ bat sie in verführerischem Ton.
    Es war klar, daß sie dabei ihr Gesicht abermals in die Nähe des seinigen bringen wollte, um ihn genauer anzusehen, als sie es vorher getan hatte.
    „Den sollen Sie gern haben!“ lachte er leise.
    Er bog sich zu ihr herab und küßte sie; zu gleicher Zeit jedoch legte sich seine Hand ihr auf beide Augen, so daß sie nicht das geringste erkennen konnte. Im nächsten Augenblick hatte er sich aus ihren Armen losgemacht,

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