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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich allein, ganz allein im tiefen Wald.
    „Daran ist nur dieser Monsieur Müller schuld!“ rief sie fast weinend. „Warum sind doch die Deutschen nicht so galant wie die Franzosen? Sie sind doch in jeder anderen Hinsicht viel besser als diese!“
    Und immer weiter ging sie, und immer lauter rief sie. Da horch! War das wirklich eine menschliche Stimme? Nanon rief abermals und blieb stehen, um zu horchen. Ja, aus weiter Ferne drang eine Antwort herüber. Die Verirrte rief wiederholt, und die Antwort kam immer näher, bis endlich ein Mann durch die Büsche brach. Er hatte eine dunkle Hose und eine blaue Bluse an und trug einen großen Sack auf der Schulter – es war Fritz.
    Als Nanon ihn erblickte, schlug sie vor Freude die Händchen zusammen und rief:
    „Ah, welch ein Glück, Monsieur – Monsieur – wie war gleich ihr Name?“
    „Guten Tag, gnädiges Fräulein!“ grüßte er höflich, indem er den Hut vom Kopf nahm. „Schneeberg, Friedrich Schneeberg heiße ich. Aber wie kommen Sie so tief in den Wald?“
    „Ich bin in die Irre gegangen“, antwortete sie. „Wollen Sie nicht mein Retter sein – zum zweiten Mal, lieber Monsieur Schneeberg?“
    „Oh, wie gern, Mademoiselle!“ rief er. „Ich wollte, ich dürfte Sie hundertmal, nein, tausendmal retten, oder doch wenigstens alle Tage einige Male!“
    „Das wäre denn doch zu viel verlangt“, lachte sie, ganz erfreut, daß gerade dieser gute brave Mensch sie gefunden hatte. Sie war ja mit ihm in Marions und des Doktor Bertrands Gesellschaft von der Mosel bis hierher gereist und hatte da trotz der kurzen Zeit Gelegenheit gehabt, die treue Seele kennenzulernen. „Ist es weit nach dem alten Turm?“ fragte sie.
    „Man müßte eine volle Stunde gehen“, antwortete er.
    „Und nach dem Schloß?“
    „Geradeso weit, Mademoiselle.“
    „Ach, das kann ich nicht mehr erlaufen!“ klagte sie. „Ich bin so ermüdet; ich muß mich vorher ausruhen.“
    Ihr Blick suchte nach einem passenden Plätzchen. Da warf Fritz den Sack zu Boden und sagte:
    „Hier ist ein Fauteuil, wie es weicher gar nicht sein kann, Mademoiselle.“
    „Dieser Sack? Was ist darin?“
    „Kostbare Pflanzen“, antwortete er mit komischer Wichtigkeit. „Sie haben wohl gehört, daß ich bei Doktor Bertrand als Pflanzensammler engagiert bin.“
    „Allerdings, ich erinnere mich. Sind Sie denn ein solch guter Botaniker?“
    „Das versteht sich!“ lachte er. „Salomo kannte bloß den Ysop und die Zeder, ich aber kenne einige Pflanzen mehr.“
    „Wenn aber diese Pflanzen einen medizinischen Zweck haben, darf ich mich doch unmöglich auf sie setzen!“
    „Warum nicht, Mademoiselle? Der Medizin tut dies nicht den geringsten Schaden. Der Sack steckt voll Preiselbeerkraut, Scharfgarbe, Weidenblätter und Huflattich. Einen sehr guten Tee wird das freilich nicht geben, aber ein desto besseres Polster. Setzen Sie sich getrost darauf. Es wächst noch eine ganze Masse solches Zeug im Wald.“
    „Nun wohl, so muß ich Ihnen den Willen tun“, sagte sie.
    Sie ließ sich auf den weichen Sack nieder, und zwar mit einer so natürlichen Grazie und Anmut, daß die wirklich ganz das Aussehen einer Elfe hatte. Der Hut hing ihr am Band im Nacken; er war ihr hinabgerutscht, und nun blickte das liebliche Gesichtchen mit den blauen Augen so freundlich zu ihm empor, daß es ihm heiß um das Herz wurde. Er hätte sich tausend und abertausend Martern unterworfen, um ihr die kleinste Freude zu bereiten.
    „Aber nun müssen Sie sich auch setzen, mein lieber Monsieur Schneeberg“, sagte sie.
    Er gehorchte und suchte sich einen Ort aus, fern von dem ihrigen.
    „Nein, nicht dort“, sagte sie, „sondern hier in meiner Nähe, ganz hier.“
    Sie deutete gerade dort hin, wo ihre kleinen, kinderniedlichen Stiefeletten unter dem Saum ihres Gewandes hervorlugten. Fritz wagte keinen Widerspruch und folgte gehorsam ihrer Weisung. Ihr Auge beobachtete dabei seine Bewegungen. Er war ein gewandter Unteroffizier und hatte sich bei der Eskadron die Beine noch lange nicht steif geritten. Seine volle, kräftige, wohl proportionierte Gestalt schmiegte sich behaglich in das grüne Moos, und als er sich da bequem ausstreckte, überflog sie ihn mit einem Blick, dem man ein schwer unterdrücktes Wohlbehagen anerkennen konnte.
    „So, nun wollen wir ruhen und plaudern“, meinte sie, „aber wovon? Ah, da fällt mir gleich etwas ein, was ich Sie fragen wollte! Wenn ich nur nicht denken müßte, daß Sie mir es übel nehmen

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