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56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

Titel: 56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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über mich, seinen Bruder, freut.“
    Er zwang sein Pferd zu einem abermaligen Galopp, der ihn durch die Herden hindurch bis an das Zelt des Scheiks brachte. Dieser saß, wie der Hirte gesagt hatte, rauchend vor seinem Zelt. Er hatte den Reiter kommen sehen. Als dieser jetzt vom Pferd stieg, um ihn, den obersten des Stammes, ehrfurchtsvoll zu grüßen, zog sich seine Stirn in Falten.
    „Alla jikun ma'ak – Gott sei mit dir!“ sagte der Jüngling.
    „Rua lil dschehennum – geh zum Teufel!“ lautete die Antwort.
    Da hob der Angekommene den Kopf stolz empor.
    „Ma fehimitu – ich habe es nicht verstanden“, sagte er.
    „Geh zum Teufel!“ wiederholte der Scheik.
    Da blitzten die Augen des anderen auf.
    „Dein Alter ist größer als das meinige; ich verzeihe dir!“ sagte er.
    „Ich brauche deine Verzeihung nicht.“
    Schon hatte der junge Mann eine scharfe Entgegnung auf den Lippen; da öffnete sich der Vorhang des Zeltes, und es war ein Bild zu sehen, so lieblich, so hold, daß er seine Worte vergaß.
    Ohne daß der Vater es merkte, war hinter ihm die Tochter erschienen. Sie konnte siebzehn Jahre zählen, war aber bereits vollständig entwickelt.
    Ihre Züge waren jene reinen, weichen, melancholischen, wie man sie so oft bei Orientalinnen höheren Standes beobachtet. Ihr großes Auge hatte einen Ernst an sich, welcher ihrer Jugend eine ergreifende Weihe gab. Das herrliche, schwarze Haar hing in schweren, dicken Flechten herab und war mit goldenen Fäden verziert. Stirn und Hals schmückten Reihen großer Gold- und Silberstücke. Die Beine steckten in rotseidenen Hosen und die nackten, schneeweißen Füßchen in Pantöffelchen von ebensolcher Farbe. Der Oberleib war mit einem blauen, goldgestickten und ärmellosen Jäckchen bekleidet, welches, vorn offenstehend, eine herrliche Büste sehen ließ, die von einem weißen Hemd verhüllt wurde, dessen weite Ärmel, aus der Jacke hervorquellend, zwei schöne, volle Arme nur halb bedeckten. An den Fußknöcheln und Handgelenken trug dieses zauberhaft schöne Wesen Ringe von Silber und Spangen von massivem Gold.
    Als Liama den Jüngling erblickte, röteten sich ihre Wangen. Sie legte den Finger bittend an den Mund und verschwand augenblicklich wieder hinter dem Vorhang, welcher den Eingang des Zeltes verschloß.
    Ihr Vater hatte ihr Erscheinen gar nicht bemerkt. Saadi aber hatte verstanden, was ihm der an den Mund gehaltene Finger sagen sollte. Darum drängte er die bittere Antwort zurück und sagte in mildem Ton:
    „Vergib mir! Du hast recht. Die Jugend darf nicht wagen, dem Alter zu verzeihen!“
    Er ergriff sein Pferd am Zügel und führte es an den Zelten hin, bis es vor einem der kleinsten und ärmlichsten halten blieb. Bei dem Geräusch, welches die Tritte des Pferdes verursachten, öffnete sich dasselbe, und es trat ein Beduine hervor, in welchem man sofort den älteren Bruder erkennen mußte.
    „Abu Hassan!“
    „Saadi!“
    Nur diese beiden Rufe erschallten, dann lagen sich die Brüder in den Armen. Da öffnete sich das Zelt abermals, und es kam eine Frau zum Vorscheine, welche Kleider trug, deren Ärmlichkeit aber ihre Schönheit nicht zu verdunkeln vermochten. Sie wartet, bis die Männer ihre Umarmung gelöst hatten, schritt dann auf Saadi zu, streckte ihm mit strahlender Miene die Hand entgegen und sagte:
    „Ta ala, marhaba – komm und sei willkommen!“
    „Allah sei Dank!“ meinte Saadi. „Endlich höre ich ein Willkommen.“
    „Wer hat dir dieses Wort versagt?“ fragte sein Bruder, schnell ernst werdend.
    „Der Scheik.“
    „Du mußt ihm verzeihen, denn er ist sehr erzürnt auf dich.“
    „Warum?“
    „Weil du zu den Giaurs gegangen bist.“
    „Hat Allah dies verboten?“
    „Nein; aber er haßt die Franzosen.“
    „Ich habe euch nicht der Franzosen wegen verlassen.“
    „War der Inglis, mit dem du gingst, nicht auch ein Giaur?“
    „Ja. Aber war er nicht vorher der Gast des Scheiks?“
    „Du hast recht, doch er haßt dich auch deshalb, weil Liama, seine Tochter, dich nicht vergessen will.“
    „Allah allein ist Herr des Herzens, aber nicht der Mensch. Darf ich in dein Zelt treten, mein Bruder?“
    „Tritt herein! Was mein ist, das ist dein; ich bin du, und du bist ich.“
    Die beiden verschwanden in dem Zelt. Die Frau des älteren Bruders nahm dem Pferd den Sattel und gab ihm dann einen Schlag, um ihm zu sagen, daß es frei sei und weiden könne. Dann trat auch sie hinein, um ihren Gast zu bedienen.
    Einige Zeit später

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