56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
Hauptsache ist noch eine ganz andere, denke ich.“
„Was meinst du? Sage es!“
„Gesetzt, wir fangen den Kaiser; wißt ihr, wer Lösegeld bezahlen würde?“
„Nun, doch er selbst.“
„Ja, erstens. Aber zweitens auch die Royalisten und drittens die Feinde Frankreichs.“
„Lösegeld? Das glaube ich nicht.“
„Nun, ich mag mich da nicht richtig ausgedrückt haben. Ich meine, wenn plötzlich der Kaiser verschwindet, so würden die Bourbonen und Orleanisten, die Republikaner und auch die Russen, Preußen, Österreicher, Engländer und Holländer gewiß sehr große Summen bezahlen, um sicher zu sein, daß er nicht wieder erscheint.“
„Ah, das ist wahr.“
„Man könnte sich mit einer einzigen Kugel oder einem kleinen Messerstich vielleicht eine Million verdienen.“
„Donnerwetter!“
„Ja, das ist ganz sicher. Aber wann werden die Wagen erscheinen?“
Der Mann, welcher im Hof des Wirtshauses zu La Chêne gewesen war, antwortete:
„Der Kaiser ließ den Maire kommen. Viel aber kann er mit so einem Mann nicht zu sprechen haben. Darum können die Wagen alle Augenblicke erscheinen.“
„So gilt es, einen raschen Entschluß zu fassen.“
„Aber wohin stecken wir ihn und die Marschälle?“
„Donnerwetter, das wird sich später zeigen; das können wir beraten, sobald er sich in unseren Händen befindet. Jetzt vor allen Dingen müssen wir, ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, den Entschluß fassen, ob wir überhaupt zugreifen wollen oder nicht.“
„Natürlich! Ich bin dabei!“ sagte einer.
„Ich auch“, meinte ein anderer. „Man verdient hoffentlich bei diesem einen Geschäft gleich so viel, daß man sich zurückziehen kann.“
„Das versteht sich ganz von selbst. Wir stimmen bei!“
„Wir alle!“ meinten auch die anderen.
„Gut“, sagte da der Alte. „So wird also der Kaiser mit den Marschällen gefangen.“
„Die Garden?“
„Werden erschossen!“
„Die Damen?“
„Donnerwetter, ja, sie werden uns jedenfalls ganz und gar beschwerlich fallen. Am besten wird es sein, man erschießt sie auch.“
„Na, meinetwegen. Aber man muß auf jeden Fall erst sehen, wer sie sind. Vielleicht ist es möglich, auch mit ihnen ein hübsches Lösegeld zu erpressen. Aber ich denke, wir wenden bei diesem Fang alle mögliche Vorsicht an. Sind die Seile da?“
„Ja; da hinten liegen sie.“
„Wieviele?“
„Drei.“
„Das paßt gerade. Für jeden Wagen eins. Wir ziehen sie in gehörigen Abständen über die Straße herüber. Drüben werden sie an einem Baum befestigt, hüben braucht nur ein Mann zu halten. Den ersten Wagen lassen wir bis ans dritte, den zweiten bis ans zweite und den letzten Wagen bis ans erste Seil gelangen. In diesem Augenblick werden, sobald ich kommandiere, die drei Seile angezogen, die Wagenpferde stürzen darüber hinweg und die Reiter auch. Es wird sich dann alles einige Augenblicke lang über- und untereinanderwälzen, für uns ist dies aber Zeit genug, die Reiter kaltzumachen und die Herrschaften festzunehmen. Alles übrige wird sich dann finden. Vorwärts, ihr Leute!“
Die Männer waren jetzt wie elektrisiert. Sie sprangen empor und trafen ihre Vorbereitungen. Dies nahm gar nicht lange Zeit in Anspruch; dann begab sich ein jeder auf seinen Posten, und es herrschte tiefe Stille ringsum.
Napoleon ahnte nicht, welchem Schicksal, falls der Anschlag zum Gelingen kam, er entgegengehe. Die drei Seile lagen quer über die Straße. Sie brauchten nur angezogen zu werden, so wurden die Pferde zum Stürzen gebracht. Dann war die Verwirrung, von welcher der Alte gesprochen hatte, allerdings fertig, und es trat die Wahrscheinlichkeit ein, daß die Bedeckung getötet wurde, so daß die Herren nur auf sich selbst angewiesen waren.
So verging fast eine Viertelstunde. Da hörte man von fern her ein Geräusch wie von rollenden Wagen. Da der Waldboden eine ziemliche Elastizität besaß, so war dieses Geräusch allerdings nicht so bedeutend, als wenn der Weg aus hartem Gestein bestanden hätte.
„Das sind Wagen!“ flüsterte der Alte, nach seiner Flinte greifend.
„Werden sie es sein?“ fragte einer neben ihm.
„Laßt sehen!“
Er trat etwas aus dem Gebüsch hervor und blickte angestrengten Auges rechts die Straße hinab, wo sich paarweise Lichter näher bewegten.
„Ja, sie sind es“, sagte er. „Drei Wagen mit Laternen daran. Das kommt bloß bei vornehmen Herrschaften vor. Sie fahren nicht sehr eng hintereinander. Nehmt die Seile etwas weiter, damit sie
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