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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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kleben noch immer an den Fens­terscheiben in ihren Allrad-Särgen, hinter denen sie gerade verbrennen, weil sich die mehrtonnigen Geschoße nicht mehr öffnen lassen, nachdem die Hitze ihre Karosserie komplett verbogen hat. Andere sieht er unbeirrt unter ihren geöffneten Schiebedächern dahinrösten, weil sich das elektrische Spektakel aus den gleichen Gründen nicht mehr schließen lässt. So viel gerösteter und verbrannter Mittelstand!, denkt sich der Biermösel zufrieden, dass er das noch erleben darf!
    Er selbst treibt dann zufrieden auf seiner Fips weiter, nachdem er die Abzweigung nach Goisern passiert hat und in Richtung der Eichenwälder fliegt, wo die Wildsau auf ihn wartet. Die tief stehende Sonne blendet ihn wie früher das glühende Schwert vom Russen den widerständigen Kosaken, wenn er sich blöd gespielt hat und nicht kommunistisch genug war.
    Dann stellt er sogar den Motor ab, weil er alleine mit der Kraft seiner Winde rhythmisch dahinfährt, Rückstoß um Rückstoß, Plusgrad um Plusgrad, hinein in einen mehr als sonnigen Abend samt glühendem Feuerball im Westen, der im flammenden Abendrot hinter dem Gebirgshang verschwindet, nachdem der Biermösel wieder einen ganzen Tag lang gute Arbeit geleistet hat, und hoppala, plus 46,2 ° im Schatten.
    Da schau her, denkt er sich dann auf einmal, als er ruhig durch die Straße der Sieger gleitet, wo die Plakatständer mit der Visage vom Chef vom Ganzen mittlerweile so dicht gestellt sind, dass er dahinter keine verbrannten Bäume mehr zu erkennen vermag, das ist die schlechte Nachricht.
    Die gute Nachricht aber ist, dass er auch die Visage vom Chef vom Ganzen nicht mehr zu erkennen vermag, weil sie von kommunistischen Extremisten verunstaltet worden ist.
    Warum weiß er denn schon wieder, dass es kommunistische Extremisten waren?
    Schon vor zwei Tagen hat ihn über das rote Notruftelefon ein zweiter Anruf vom Innenminister erreicht, verzweifelt und hektisch wie früher der Ausbildnern in der Gendarmerieschule oben in Linz, der auch immer sofort die Nerven weggeschmissen hat, hat er sich angehört:
    „Jetzt pass einmal auf, Biermösel, das geht doch nicht! Die ganzen kommunistischen Extremisten bei euch dort unten! Bitte lass sie doch nicht die einmalig weißen Wahlkampfzähne vom Chef vom Ganzen schwarz anmalen, sodass er ausschaut wie einer von den Elenden aus dem Franzosenreich vom Hugo Victor, da sind wir uns ja hoffentlich einig, dass unser Chef vom Ganzen nicht so ausschauen darf, kein Mensch hat in Wirklichkeit so schwarze Zähne?“
    „Mir doch wurscht, wie der Jazzer ausschaut!“
    Jetzt steht er also vor den Plakaten und nimmt seine eigenen Zähne heraus, damit er sich einmal anschaut, wie richtige Zähne im Vergleich zu denen von einem Politiker ausschauen, und er muss sagen: Richtige Zähne sind nicht schwarz, aber auch nicht weiß. Sie sind braun und gelb, wie richtige Zähne halt ausschauen.
    Der Biermösel tut seine Zähne dann wieder hinein und raucht einen gemütlichen Joe, dann zischt er ein spritziges Bier, dann noch einen Joe, dann noch ein Bier. Er steht dabei herum wie der Kunstkenner in der Ausstellung und weidet sein Auge an der Schönheit der aufgemalten Segelohren, die einen einmaligen Affen aus dem Chef vom Ganzen machen. Dann brunzt er sich sogar fast an vor Lachen, als er die aufgemalten Hasenzähne und das Vogerl entdeckt, das ihm aus seiner Jazzerstirn herausschaut, „gut schaust aus!“
    Was für eine Begabung! Welches Talent!, zieht der Biermösel den Hut vor dieser Begabung und diesem Talent. Der Kunstliebhaber in ihm kann seine Sympathie für diesen Vandalenakt nicht verhehlen, auch wenn er dahinter nicht die Tat von Kommunisten zu erkennen vermag, sondern nur die von kalziumgestärkten, rebellischen Rotzbuben, hinter der er sein eigenes widerständiges Biermösel-Wesen erkennt, das sich immer lieber ein bisserl fern vom gesunden Volksempfinden aufhält und auf die Politik insgesamt und den Chef vom Ganzen im Speziellen lieber scheißt.
    Und dann bedauert er wieder einmal mit den bitteren Tränen des Kinderlosen, dass sein Stammbaum – jedenfalls nach allem, was man heute weiß! – keine Früchte getragen hat, die solche Vandalenakte zustande bringen.

Schonn Gabönn
    Der Biermösel besteigt dann sein bockiges Wüstenschiff ein bisserl zögerlicher als noch vor vierzig Jahren, als er ein hoffnungsvoller Junggendarm in der Nachfolge vom Altgendarmen war, muskulös, wendig, voller Hoffnung im Herzen und Träume im

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