56,3° Im Schatten
deswegen gleich ein paar Tagestouristen oder Sommerfrischler niederschlagen und auf ihn eintreten würden, um seinen Körper mit nach Hause zu nehmen, wo sie ihn zerreißen und alles Feuchte aus ihm heraussaugen wollen, was ist denn bitte los mit mir, fragt er sich besorgt, bin denn auch ich schon halb entwässert?
Mit äußerster Vorsicht und mit einem Adlerauge immer streng nach hinten gerichtet, tapst der Biermösel dann auf der heißen Straße herum. Seit er die Erde so stark erwärmt und die Rohstoffe in den Wirtshäusern und Supermärkten zur Neige gehen, sind nämlich überall Bierzombies unterwegs, untote Säufer, die sich in Erdgruben und Mauerspalten verstecken und von dort heraus ihre Alkoholiker-Zitterhände nach allen ausstrecken, die noch halbwegs besoffen ausschauen. – Hilfe!
Von den Schmarotzern hat der Biermösel dann aber keinen Einzigen gesehen, als er im gleißenden Sonnenlicht und in der fast vollkommenen Stille einer sich ausbreitenden Wüste sein Moped gesucht hat, aber dort, wo er die Fips in der Früh abgestellt hat, war sie nicht mehr. Dafür hat er überall streunende Hunde gesehen, die er schnell weggeballert hat, und die ersten Skorpione sind ihm über die Zehen gerannt, bevor er auch sie weggeballert hat, zwei Zehen inklusive. Ein paar Skorpione aber machen noch keinen Sommer, das ist jedenfalls seine Meinung zum Sommer.
Erst als der Biermösel dann dieses gefährlich nervöse Rasseln hinter sich gehört hat, da hat er dann endlich gewusst, dass der Sommer wirklich Einzug gehalten hat, weil es das gefährlich nervöse Rasseln von einer neu zugewanderten Klapperschlangenfamilie war, die den Einheimischen auf lange Sicht gesehen wahrscheinlich auch nicht viel sympathischer gewesen wäre als die alteingesessene Flüchtlingsfamilie Bolivár aus den Anden drüben mit ihrem dauernden „No nos moverán!“ Aber wenigstens singen die Schlangen nicht, sondern rasseln nur nervös herum, werden die Einheimischen auch ein gutes Haar an den Schlangen finden, jedenfalls solange der Biermösel sie nicht aus der Hüfte heraus für immer beruhigt – und peng!
Hinter einer Plakatwand mit der Visage vom Chef vom Ganzen drauf hat er seine Fips dann endlich wiedergefunden, dort hat sich das ängstliche Drecksstück in einem kleinen Streifen Schatten versteckt. Feige und elend, wie der alte Biermösel sich damals hinter seinen Schweinderln versteckt hat, nachdem ihn die Nachricht ereilt hat, dass die Biermösel-Mama zusammen mit einem Schonn Gabönn aus Frankreich auf seinem Herrenfahrradl davongefahren ist und – nach allem, was man gesehen hat – eher nicht mehr zurückkommen wird, es hat nämlich nicht so ausgeschaut, wie wenn die zwei miteinander einkaufen gehen.
Um seinem alten schnaufenden Ross zu zeigen, wie man sich bei den ungewohnten Plusgraden richtig verhält, zieht der Biermösel die Schuhe aus und steigt mit den reinweißen Füßen in den heißen Asphalt hinein, der aber mittlerweile mit Vornamen Zähflüssige und mit Nachnamen Lava heißt, und das tut dann sogar ihm schmerzresistenten Alkoholiker so weh, dass die Fips im Schatten zusammenzuckt und gar nicht mehr hinschauen mag, als er herumspringt wie ein Silversterkracher, aber wenigstens hat er ihr beigebracht, dass man vor keinem Feind der Welt zurückstecken darf, und zwar niemals.
„Auuuuuuuaaaa!“
Mit einem schnell gezischten Bierchen aus seinen zur Neige gehenden Vorräten in der Satteltasche löscht der Biermösel dann zwar umstandslos seinen gewaltigen Durst, aber die Blase an seinem Fuß ist groß wie der Mond und wird es noch lange bleiben. Und zum Schluss dieser ganzen Demonstration männlicher Stärke hat er sich sogar gefragt, wie ein einzelner Mensch so deppert sein kann und dauernd den John Wayne heraushängen lassen muss, wo die Weiber doch sowieso mehrheitlich den einfühlsamen Franzosen mit seinen tiefen Gedanken hinter dem Dackelblick vorziehen, kann es also sein, dass die Sonne auch ihn schon zu einem selbstquälerischen Zweifler macht?
Zögernd holt der Biermösel dann seinen Esel aus dem Schatten in die Sonne heraus. Trotz der feigen Stunden im Versteck ist sein Ledersitz so heiß, dass sich das Aufsitzen wie ein Rodeoritt drüben in Texas gestaltet und die Fips ihn freudig immer wieder abwirft, wodurch sie ihm Elenden beibringt, dass man ein stolzes englisches Moped, das nur für den Dauerregen gebaut worden ist, nicht ungestraft aus dem Schatten in die Sonne herausholen darf, und zwar
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