57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Robinson heißt?“ fragte er verwundert. „Ich kenne ihn nicht. Was will er?“
„Ich versuchte, ihn abzuweisen“, erklärte der Diener; „er aber ging nicht von der Stelle. Er sagte, daß er augenblicklich, und zwar sehr Wichtiges mit Ihnen zu sprechen habe.“
„Wie ist seine äußere Erscheinung?“
Der Diener zuckte beide Achseln und antwortete:
„Er scheint durch und durch Engländer zu sein, gnädiger Herr.“
„Ah, das gibt einen kleinen Scherz. Er mag eintreten!“
Da erhob sich Belmonte, um zu gehen, aber der General hielt ihn mit den Worten zurück:
„Bitte, bleiben Sie! Ein englischer Reporter ist nicht der Mann, dem der Retter meiner Enkelin auszuweichen hätte.“
Da wurde die Tür geöffnet, und der Reporter trat ein. Er war lang und außerordentlich hager. Er trug, ganz entgegengesetzt dem englischen Carrée oder Lieblingsgrau, einen feinen schwarzen Salonanzug: Frack, Hose, weiße Weste und gelbe Krawatte; aber die Hosenbeine steckten in riesigen grauen Gamaschen; aus dem Frack hing links der Zipfel eines rotbaumwollenen Taschentuches, und rechts blickte unter dem Schößel eine lange Papierrolle hervor. Über dem Frack trug er an einem Riemen das Futteral irgendeines optischen Instrumentes, vielleicht Fernrohr, Feldstecher oder Opernglas. Der Hals konnte, obgleich lang und dünn, nicht gesehen werden, weil zwei geradezu kolossale Vatermörder ihn bedeckten. Ganz dieselbe Form wie diese Vatermörder hatte auch die Nase, welche wie ein schroffes, gefährliches Vorgebirge aus dem schmalen, scharfen Gesicht sprang. Zwei Bartkoteletten hingen beinahe bis auf die Brust herab, und auf dem jedenfalls ganz kahlen Kopf trug er einen hohen Zylinderhut, so weit nach hinten geschoben, daß man zu befürchten hatte, er werde im nächsten Augenblick herabstürzen. Der sonderbare Mann dachte gar nicht daran, diese balancierende Kopfbedeckung abzunehmen.
Als er jetzt eintrat, trug er in der linken Hand ein Notizbuch, in der rechten einen Bleistift und unter dem Arm eine sehr umfangreiche Maschinerie, welche zunächst das Aussehen eines Regenschirmes, aber auch noch andere Bedeutung zu besitzen schien.
„Good morning – guten Morgen!“ grüßte er mit schnarrender Stimme und in einem höchst vertraulichen Ton.
Es war, als ob er sich nicht bei einem General und Grafen, sondern bei unter ihm stehenden Leuten befinde. Dabei betrachtete er erst den Hausherrn, dann Belmonte und endlich auch die Komtesse in einer Weise, als ob er sich in einer Schaubude befinde, in welcher Menschenfresser zu sehen seien.
„Guten Morgen!“ antwortete der Graf, indem er sich Mühe gab, ein lautes Lachen zu unterdrücken. „Was wollen Sie?“
„Are you the General von Latreau?“
„Ja, der bin ich.“
„I am the Master Nathanael Robinson.“
„Schön! Was weiter, mein Verehrtester?“
„Reporter.“
„Welches Blatt?“
„Of the Lloyds Weekly London Newspaper.“
„Auf Lloyds Wochenzeitung in London? Viel Ehre, Master Robinson. Welche Absicht führt Sie zu mir?“
„I am willing to interview.“
„Ah, Sie wollen mich interviewen? In welcher Angelegenheit?“
„You have a daughter – Sie haben eine Tochter?“
„Ja.“
„Well! Darf ich sie einmal sehen?“
„Hier sitzt sie.“
Bei diesen Worten deutete der Graf auf seine Enkelin. Der Engländer öffnete langsam sein Lederfutteral. Jetzt sah man, daß es ein längeres Fernrohr und einen Feldstecher enthielt. Er nahm diesen letzteren hervor und führte ihn an die Augen, um Ella durch die Gläser zu betrachten.
„Yes!“ sagte er dann. „An immense beautiful and interesting girl – ja, ein ungeheuer schönes und interessantes Mädchen.“
Er nickte zufrieden vor sich hin, steckte den Feldstecher wieder in das Futteral und fragte dann den Grafen weiter:
„Sie ist geraubt worden?“
„Ja.“
„Des Lösegeldes wegen?“
„Ja.“
„Ein junger Mensch aber hat sie wieder befreit?“
„So ist es.“
„War es ein Liebhaber von ihr?“
Eine tiefe Glut bedeckte in diesem Augenblick das Gesicht des reizenden Mädchens. Sie warf ihrem Großvater einen Blick zu, welcher ihm deutlich sagte, daß sie es nicht verstehen können, warum der Engländer die Erlaubnis erhalten habe, hier in dieser Weise seine Erkundungen einzuziehen. Der General fühlte den Vorwurf heraus; aber er war Soldat und als solcher der Freund eines Scherzes, der sich allerdings innerhalb gewisser Grenzen zu halten hatte.
„Hier sitzt der Herr, welcher sie
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