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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich zurückzuziehen. Je mehr Hände tätig sind, desto eher werden die Schmerzen gestillt!“
    „Sie mögen recht haben, aber ich muß vermuten, daß diese Dame zu Ihnen gehört. Wollen Sie die Güte haben, mich ihr vorzustellen?“
    „Wir sahen uns erst im Coupé, Herr Kapitän. Diese Dame ist Miß de Lissa aus London.“
    „Ah, eine Engländerin!“
    Er zog den Hut und verbeugte sich tief.
    Emma hatte sich natürlich erhoben und zu ihm gewendet. Jetzt stand sie Auge in Auge mit dem langjährigen Todfeind ihrer Familie, aber ihrem Gesicht war keine Spur der Gefühle anzumerken, die sie gegen ihn hegte. Sie sah ihm voll, groß und forschend in das Angesicht, als ob sie sich dessen Züge fürs ganze Leben einprägen wolle, verneigte sich unter einem feinen, verbindlichen Lächeln und sagte:
    „Es bereitet mir eine wirkliche Genugtuung, den Herrn kennenzulernen, von dem ich sooft sprechen hörte!“
    Es war ihr nämlich in diesem Augenblick ein Gedanke gekommen, ein Gedanke gleich einer Eingebung, der sie sofort und unbedingt Folge leisten müsse.
    Er aber blickte ihr überrascht in das schöne Angesicht und sagte im Ton des Zweifels:
    „Von mir hörten Sie sprechen, Miß? Sollte das nicht eine Verwechslung sein? Der Name Richemonte scheint nicht selten vorzukommen.“
    „Ich meine Kapitän Albin Richemonte auf Schloß Ortry.“
    „Nun, der bin ich allerdings. Darf ich fragen, bei welcher Gelegenheit und wo mein Name Ihnen genannt wurde?“
    „Darüber später einmal, falls wir uns wiedersehen sollten. Ich bin Mitglied des Klubs der Barmherzigen.“
    Das Auge des Alten leuchtete auf.
    „Ah!“ sagte er. „Reisen Sie vielleicht im Interesse dieses Klubs, Miß de Lissa?“
    „Allerdings.“
    „Das ist mir freilich interessant, höchst interessant! Darf ich nach dem Ziel Ihrer Reise fragen?“
    „Thionville.“
    „Sapper – Entschuldigung! Thionville! Sind Sie da vielleicht an eine bestimmte Adresse gebunden?“
    „Nein; ich besitze meine völlige Selbstbestimmung, werde aber bei Herrn Doktor Bertrand absteigen.“
    „Steht Ihre Familie in Beziehung zu ihm?“
    „Nein. Er wurde mir empfohlen.“
    „Sind Sie ihm avisiert? Denn er befindet sich hier; augenblicklich steht er da oben auf dem Damm bei den Wagen.“
    Er deutete nach der betreffenden Stelle. Sie nickte freundlich und antwortete:
    „Ich weiß es, Herr Kapitän. Ich habe bereits mit ihm gesprochen.“
    Der Alte konnte seine Augen kaum von ihren schönen Zügen wenden. Es wurde ihm ganz eigentümlich zumute.
    „Verzeihung, daß ich so viele Fragen an Sie richtete“, bat er. „Es ist in Ihren Zügen, in Ihrer Gestalt, in Ihrer Sprache, in Ihrem ganzen Wesen ein etwas, was mich zu dem Gedanken zwingt, als hätten wir uns bereits gesehen, oder als müßten wir zueinander in Beziehung treten, und zwar in eine freundliche. Waren Sie bereits in Frankreich?“
    „Noch nie.“
    „So irre ich mich. Aber vielleicht habe ich das Glück, Ihnen wieder zu begegnen. Verweilen Sie längere Zeit in Thionville?“
    „Das ist unbestimmt. Jedenfalls aber reise ich erst dann ab, wenn der Zweck meiner Anwesenheit erreicht ist.“
    „Ah, Sie haben einen besonderen Zweck?“
    „Allerdings.“
    „Vielleicht geschäftlich?“
    „So ähnlich könnte man es nennen. Jetzt aber bitte ich um die Erlaubnis, zu meiner Pflicht zurückkehren zu dürfen.“
    Sie machte dem Alten eine wahrhaft königliche Verbeugung und wendete sich dann dem Verwundeten wieder zu.
    Der Kapitän trat mit dem Amerikaner einige Schritte abseits und fragte:
    „Sie haben die Worte dieser Dame gehört?“
    „Natürlich, Kapitän!“
    „Sie kommen in politischen Beziehungen zu mir?“
    „Gewiß.“
    „Fast scheint es, als ob diese Engländerin aus ähnlichen Gründen nach Frankreich gekommen sei.“
    „Man möchte es beinahe vermuten.“
    „Sie haben sich jedenfalls im Coupé mit ihr unterhalten. Gab es da keinen Anhaltspunkt, um bestimmen zu können, ob diese meine Vermutung die richtige sei?“
    „Nein, gar nicht.“
    „So werde ich sie in Thionville wiederfinden müssen. Aber ich dachte, daß selbst die kürzeste Unterhaltung einen Punkt bietet, welcher geeignet ist, auf anderes schließen zu lassen.“
    „Wir haben von ihr gar nicht gesprochen. Ich stellte mich ihr vor, und dann kam die Rede sofort auf die Entgleisung, welche wir zu erwarten hatten.“
    Der Alte horchte erstaunt auf.
    „Zu erwarten hatten?“ fragte er. „Das klingt ja gerade, als ob Sie gewußt hätten, daß

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