595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Ihren Sohn kümmern.« Erklärend wende ich mich an meine Begleitung. »Frau Wagner wohnt bei uns im Haus.«
»Wir sind uns gestern begegnet«, entsinnt Arabella sich.
Katharina zieht die Waren über den Scanner und ich bemerke, wie sie gleichzeitig aus den Augenwinkeln meinen Gast scannt.
»Hat der Latte macchiato geschmeckt?«, erkundige ich mich.
»Großartig. Der hat mich heute Morgen gerettet.«
»Betreibst du einen Kaffeelieferservice?«, wundert sich Arabella.
»Ich habe ihr mein Getränk überlassen, weil sie so müde gewirkt hat.«
»Wie ein moderner Sankt Martin«, kichert Katharina. »Statt eines Mantels teilte er seinen Kaffee.« An ihrem Tonfall erkenne ich, mit der Aktion Sympathiepunkte gewonnen zu haben. Oder liegt ihr toleranterer Umgang mit mir an meiner Begleiterin?
Die letzten Produkte landen unterdessen im Einkaufswagen.
»Siebenunddreißig Euro und vierzehn Cent. Zahlen Sie bar?«
»Mit Karte«, entgegne ich.
»Du meinst bar«, mischt sich Arabella ein. »Vergisst du etwa unsere Vereinbarung?« Sie holt ein schlichtes Portemonnaie aus ihrer Handtasche und bezahlt mit einem Fünfzigeuroschein.
Noahs Mutter gibt ihr das Wechselgeld, dann wünscht sie uns beiden einen schönen Tag.
»Warum siezt ihr euch?«, erkundigt sich meine temporäre Mitbewohnerin, während wir auf dem Parkdeck des Supermarktes den Kofferraum meines Autos beladen.
»Sie ist nur meine Nachbarin«, erläutere ich.
»Bist du dir sicher?«
»Häh?«
Arabella schüttelt den Kopf. »Männer! Ihr seid so unsensibel. Sie findet dich interessant.«
Amüsiert lache ich auf. »Diesmal irrst du dich trotz deiner überlegenen, weiblichen Intuition. Eigentlich können wir uns nicht leiden, seitdem wir im Hausflur mehrfach wegen Kleinigkeiten aneinandergeraten sind.« Dass ich immer der Streitauslöser war, fällt als unbedeutende Zusatzinformation unter den Tisch.
»Ach ja?« Sie lächelt wissend. »Weshalb blitzte Eifersucht in ihren Augen auf, nachdem sie mich an deiner Seite entdeckt hatte?«
»Eifersucht? Keine Ahnung. Vielleicht ist sie auf dein Aussehen neidisch?«
Nun lacht Arabella. »Du bist so blind! Ein wenig Make-up, eine modernere Frisur, ein paar heiße Dessous und du würdest betteln, um die Nacht mit ihr verbringen zu dürfen. Oder viertausend Euro für ein Wochenende bezahlen. Die Frau ist der Oberhammer. Sie hat einen Sohn? Hoffentlich sehe ich in fünf, sechs Jahren auch noch so sexy aus, wenn ich erst einmal ein Kind zur Welt gebracht habe.«
Mit ausgestrecktem Arm deute ich zum Eingang des Ladens. »Wir reden von der gleichen Frau?«, frage ich verblüfft.
»Blindfisch!« Sie nimmt den leeren Einkaufswagen und schiebt ihn zurück.
Ich mustere ihren schönen Hintern in den Hotpants, ihre langen Haare, ihre faszinierenden Beine, ihren selbstsicheren Gang auf den Stilettos. Was stimmt mit meinen Augen nicht, falls sie recht hat?
Frisbee
Arabella bereitet uns ein köstliches Mahl zu, nach dem Essen räume ich das dreckige Geschirr in die Spülmaschine. Dabei werfe ich einen Blick durchs Küchenfenster. Auf der Wiese vor unserem Haus entdecke ich Noah, der sich mit einem Frisbee vergnügt. Er wirft gerade die Scheibe, achtet darauf, wohin sie segelt und reißt dann seine Arme jubelnd in die Luft.
Meine Mitbewohnerin schaut mir derweil über die Schulter.
»Ist das der Sohn deiner Nachbarin?«, fragt sie interessiert.
»Woher weißt du das?«
»Er sieht ihr sehr ähnlich.«
Ich betrachte ihn genauer, ohne aus dieser Entfernung eine Übereinstimmung zu bemerken. Ob Arabellas Beobachtungsgabe in dieser Hinsicht besser ist als meine?
»Spielt er etwa allein?«
»Viele Freunde scheint er nicht zu haben.«
Sie seufzt unglücklich, danach krault sie mir für einen flüchtigen Moment den Nacken. »Darf ich dein Bad blockieren? Ich möchte ausgiebig duschen und mich pflegen.«
»Wenn du jemanden suchst, der dich einseift, bin ich gern dein willenloser Sklave.«
»Ein andermal«, sagt sie augenzwinkernd.
Ratlos lässt sie mich zurück. War das ein Versprechen?
Um mich von diesem den Blutkreislauf verändernden Gedanken zu befreien, beobachte ich den Jungen. Langsam verstehe ich die Systematik hinter seinem Spiel. Er sucht sich vor dem Wurf ein Ziel und jubelt nur, falls er die Scheibe punktgenau dorthin befördert.
Ich gehe in die Diele, in der ich das verlockende Plätschern des Wassers höre. Arabella befindet sich wohl schon unter der Brause. Ob sie die Tür abgeschlossen hat? Wahrscheinlich
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