595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
nicht. Wie würde sie reagieren, wenn ich mich einfach zu ihr stelle?
Bestimmt würde sie sich mir gegenüber verpflichtet fühlen, weil ich ihre Dienste am Wochenende nicht in Anspruch genommen habe. Womit wir wieder bei dem Dilemma wären, dafür Minuspunkte zu kassieren. Verdammtes Karmadrama!
Folglich verzichte ich auf eine Visite im Bad und ziehe mir stattdessen bequeme Sportschuhe an.
»Hey!«, rufe ich nach dem Verlassen des Hauses.
Noah, der mit dem Rücken zu mir steht, zuckt beim Klang meiner Stimme zusammen.
Super! Was bin ich bloß für ein liebenswerter Mensch gewesen!
Ehe er sich zu mir umdreht, läuft er zum Frisbee und nimmt es an sich. Mit der Scheibe vor der Brust wappnet er sich, um mir gegenüberzutreten.
»Entschuldigen Sie, dass ich zu laut war«, murmelt er.
Sven Frost, der Hausdrache, vor dem sich die Kinder ängstigen. Klasse Werbung für einen Kinderbuchautor.
»Du warst nicht zu laut«, beruhige ich ihn.
»Nicht?« Er klingt verwundert.
»Darf ich mitspielen? Ich liebe Frisbee.« Möglichst unschuldig lächle ich ihn an.
In seinem Gesicht lese ich die Furcht, dass ich ihm auf perfide Art seinen Besitz wegnehmen will. In diesem Moment fällt auch mir die Ähnlichkeit zu seiner Mutter auf.
Um ihm die Angst zu nehmen, hebe ich die Hände vertrauensvoll in die Höhe. »Ich weiß, ich habe mich oft wie ein Riesenarsch aufgeführt.«
Er gluckst vergnügt.
»Das war eine Krankheit, inzwischen schlucke ich Tabletten, die mir helfen.«
»Also gut. Dann spiele ich mit Ihnen.«
Wir stellen uns etwa zwanzig Schritte entfernt voneinander auf. Mit einem letzten Zögern wirft er die Scheibe, die ich gekonnt aus der Luft auffange.
»Reingelegt!«, rufe ich und renne Richtung Haustür.
Seine Gesichtszüge entgleiten ihm. Mit offenem Mund starrt er mich an. Dieser Anblick löst einen Lachkrampf bei mir aus. Prustend bleibe ich stehen. »War ein Witz«, japse ich.
Er kapiert schnell. »Haben Sie mich erschreckt«, grinst er.
Ich begebe mich in Position. »Fertig?«
Konzentriert nickt er. Ich schleudere die Plastikscheibe zu ihm, er verfehlt sie knapp und läuft ihr hinterher.
Nach zwanzig Minuten Frisbeespielen bitte ich ihn erschöpft um eine Pause. Wir setzen uns auf die Stufe vor dem Hauseingang.
»Gehst du in die Max-und-Moritz-Schule?«, erkundige ich mich.
»Ja.«
»In welche Klasse?«
»Drei A.«
»Cool! Ich lese am Freitag bei euch aus meinem Buch vor.«
Mit großen Augen sieht er mich an. »Sie sind der Autor? Hammer! Wenn ich das meinen Klassenkameraden erzähle.«
»Vielleicht erzählst du es ihnen erst mal nicht. Wir überraschen sie mit dem Hinweis, dass wir schon zusammen gespielt haben.«
Der Junge lächelt bei dem Gedanken. »Au ja. Damit bringen wir sie zum Staunen. Machen wir weiter?«
Für meine Bedürfnisse war die Verschnaufpause zu kurz, aber ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass nicht mehr viel Zeit vergehen wird bis zu Katharinas Rückkehr. Es käme mir sehr gelegen, sofern sie uns in Aktion erlebt.
»Na klar!«
Wie ein Flummi springt er auf und rennt zur Wiese. Ich folge ihm mit deutlich weniger Energie. Ich fühle mich nämlich eher wie ein lederner Medizinball, dessen Nähte langsam aufplatzen.
Nachdem die Scheibe einige Male zwischen uns hin- und hergeflogen ist, entdeckt Noah plötzlich seine Mutter. Ich schaue über die Schulter. Sie scheint fassungslos zu sein, weil ich mich mit ihrem Sohn beschäftige.
»Mami!« Er sprintet zu ihr, das Frisbee in der Hand haltend. »Da bist du ja!«
Katharina breitet ihre Arme aus, in die er sich fallen lässt. Zärtlich streichelt sie ihm übers Haar.
»Herr Frost nimmt jetzt Tabletten gegen seine Arschigkeit!«, klärt er seine Mutter auf. »Er ist viel netter geworden.«
»Noah!«, schilt sie ihn streng.
»Was denn? Das hat er mir selbst gesagt! Außerdem liest er am Freitag bei uns in der Schule.«
Ich nähere mich den beiden vorsichtig. Dabei betrachte ich Katharina.
Wie konnte ich bisher nur so blind sein? Arabella hat völlig recht. Von ihrem abgekämpft wirkenden Zustand abgesehen, ist sie äußerst attraktiv. Der kleine Leberfleck unterhalb der Lippen stellt neben Minifältchen an den Augen den einzigen Schönheitsmakel dar. Sie hat ein ovales Gesicht, zu dem ihre braunen, langen Haare perfekt passen. Unter ihrer rosafarbenen Bluse zeichnen sich eine passable Wölbung und ein schlanker Oberkörper ab. Die bequem geschnittene Jeanshose lässt keine Rückschlüsse auf ihre Beine zu. Ich würde
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