595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Protest an, doch ich komme ihr zuvor. »Dafür ziehst du dich mir zuliebe chic an.«
»Von welchem Chic redest du?«, fragt sie anzüglich lächelnd. »Dem Viertausend-Euro-Wochenend-Look?«
»Eine Zweitausendfünfhundert-Euro-Variante würde mir reichen.«
»Die hängt leider bei mir zu Hause im Schrank. Aber ich verspreche, meine Auswahl wird dir trotzdem gefallen.«
In dieser Sekunde klingelt erneut die Büroleitung. Will mir ein dämlicher Radiomoderator lachend erklären, dass ich eben Opfer eines Telefonstreiches geworden bin? Mit ungutem Gefühl laufe ich ins Arbeitszimmer, wo mir auf dem Display die Nummer des Galaxia-Verlags angezeigt wird.
»Frost!«
»Justus Wirth hier! Guten Morgen! Nach den deprimierenden Presseartikeln der letzten Zeit melde ich mich mit erfreulichen Nachrichten persönlich, bevor Sie die Lust am Schreiben verlieren! Die Lizenzabteilung des DKBV hat mich gerade angerufen. Die interessieren sich für die Taschen- und Hörbuchrechte Ihrer Bücher. Ich habe mit ihnen ein Treffen in der kommenden Woche vereinbart. Das klang vielversprechend.«
Ich balle meine freie Hand zur Faust und unterdrücke nur aus Rücksicht auf Wirths Hörvermögen den Jubelschrei.
Von Angesicht zu Angesicht
Natürlich bewahrheitet sich ihr Versprechen. Arabella trägt einen schwarzen Minirock sowie gleichfarbige Overknees und High Heels. Dazu eine figurbetonte braune Wildlederjacke, unter der sich lediglich ein dunkles Top befindet. Wie an unserem gemeinsamen Wochenende drehen sich ständig Männer nach ihr um. Diesmal fühlt sich mein Ego davon noch geschmeichelter, weil ich für ihre Begleitung nichts bezahlen muss.
Im Multiplexkino amüsieren wir uns bei einer französischen Komödie. Bevor wir uns auf den Heimweg machen, sucht sie die Toilette auf. Ich warte im Gang davor auf sie.
Aus dem Männerklo tritt ein Mann, der meiner stutzend gewahr wird. Flüchtig mustere ihn, ehe sich mein Blick auf ein Filmplakat neben der Toilettentür konzentriert.
»Wen haben wir denn da?«, sagt eine Stimme übertrieben laut und unangenehm nuschelnd. »Sven Frost.«
Mit der Namensnennung sichert er sich meine Aufmerksamkeit.
»Der dünnhäutige Kinderbuchautor«, fährt er fort.
Der Bezug auf die Zeitungskolumne intensiviert mein Interesse. Ich scanne den Typen, der mir vage bekannt vorkommt. Ich bringe jedoch keinen Namen mit ihm in Verbindung.
»Kennen wir uns?«, frage ich. Neugierig beobachten uns einige Kinobesucher.
»Mich nicht erkennen, aber trotzdem Leserbriefe schicken.«
»Klaas Walther?« Soweit ich mich an das Bild in der Kolumne erinnere, sah er auf dem Foto mindestens zehn Kilo leichter aus. Das ausgeprägte Doppelkinn fiel definitiv einer Retusche zum Opfer.
»Höchstpersönlich.«
»Fett sind Sie im Vergleich zu Ihrem Zeitungsbild geworden«, rutscht es mir heraus, ohne dass ich vorher die Wahl meiner Worte bedenke. Eigentlich müsste ich ihm dankbar sein. Nur wegen seiner Rezension hat mich die Programmleiterin des DKBV überhaupt kontaktiert. Dessen ungeachtet hat mich seine Kritik verletzt. Wenn ich es ihm auf billige Art und Weise heimzahlen kann, will ich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen.
»Haben Sie sich für das nächste schlechte Kinderbuch Inspiration geholt?«, erkundigt er sich. »Oder wurden Sie vom Verlag inzwischen aufgrund Ihrer Talentlosigkeit gefeuert?«
»Mein Verlag freut sich auf die Lizenzausgaben, über die er gerade verhandelt«, korrigiere ich ihn. »Und Sie? Nachos, doppelte Portion Käsesoße, Popcorn und einen Liter Cola konsumiert?«
Statt wenigstens auf diese gewichtsbezogene Bemerkung einzugehen, wendet er sich den Umstehenden zu.
»Meine Damen und Herren, vor Ihnen steht Sven Frost, ein Kinderbuchautor. Ich hatte vor Kurzem das zweifelhafte Vergnügen, eines seiner Werke rezensieren zu müssen. Es hat mir nicht gefallen.«
»Sie haben es ja nicht einmal zu Ende gelesen«, zische ich.
»Kaum ist meine Besprechung in der RZ abgedruckt, bekomme ich einen Leserbrief von Herrn Frost. Warum ich nur so böse war, ihn zu kritisieren.« Seine Stimme wechselt theatralisch ins Weinerliche. »Ob es nicht besser wäre, bei Nichtgefallen das Buch gar nicht zu erwähnen, weil es Autoren so schwer haben.«
Während er redet, mustern mich einige der Kinobesucher schadenfroh. Mir wird klar, Klaas Walther schon einmal begegnet zu sein. Ich kann zwar keinen konkreten Ort, keine exakte Begebenheit benennen, aber dieses großspurige Gehabe kommt mir vertraut
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