595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Karrierefortschritten war ich lange unzufrieden. Derzeit komme ich finanziell zwar weitestgehend über die Runden, aber es gibt Monate, in denen es knapp wird.«
»Davon kann ich ein Lied singen.«
»Woran liegt es bei Ihnen? Zahlt Ihr Ex keinen Unterhalt?«
»Wenn es nur das wäre. Im Laufe unserer Ehe hat er Kreditkäufe unter meinem Namen getätigt, von denen ich nichts wusste. Das war kein Problem, solange er einen Job hatte. Dann allerdings verlor er seinen Job, unsere Ehe zerbrach und plötzlich erfuhr ich, dass ich Schulden in Höhe von sechzigtausend Euro habe.«
»Ist nicht wahr!«
»Leider doch. Ich habe mehrere Prozesse geführt und alle verloren. Er hat meine Unterschrift perfekt gefälscht, sich ohne mein Wissen mehrfach meinen Ausweis geliehen. Nun stottere ich das Geld ratenweise ab. In vier Jahren bin ich schuldenfrei.«
»Warum haben Sie keine Privatinsolvenz beantragt?«
»Dafür bin ich zu stolz.«
»Und eine günstigere Wohnung?« Nicht, dass ich sie auf meine letzten Tage vertreiben will. Andererseits habe ich es schon selbst in Erwägung gezogen, in eine billigere Wohnung zu ziehen, um meine monatlichen Fixkosten zu senken.
»Wollen Sie mich loswerden?«
»Bis letzte Woche hätte ich auf diese Frage mit ›Ja‹ geantwortet.«
»Sie können so charmant sein. Faszinierend! Bei Gelegenheit muss ich mich ausführlich mit Ihrer Freundin austauschen, wie sie es mit Ihnen aushält.«
»Inzwischen würde ich für ›Nein‹ plädieren«, füge ich rasch hinzu.
»Sehr beruhigend. Sie irren sich jedoch, wenn Sie glauben, ich würde mir den Luxus einer Dreizimmerwohnung gönnen.«
»Sind nicht alle Wohnungen gleich geschnitten?«
»Früher ja. Irgendwann kam der Besitzer auf die Idee, in unserer Etage aus zwei Dreizimmerwohnungen eine Vier- und eine Zweizimmerwohnung zu machen. Das war vor Ihrem Einzug, etwa zum Zeitpunkt meiner Scheidung. Eine deutlich günstigere Mietwohnung ließe sich kaum finden, außer in einem der sozialen Brennpunkte. Das tue ich Noah nicht an.«
Ich male mir die beengte Wohnsituation aus, in der die beiden leben. Umso mehr bewundere ich sie für den liebevollen Umgang mit ihrem Kind.
Anschließend quatschen wir über Gott und die Welt, bis ich mich an die bevorstehende Lesung erinnere.
»Langsam sollte ich ins Bett, sonst schlafe ich morgen vor der Klasse Ihres Sohnes ein.«
»Noah redet seit vorgestern von nichts anderem mehr«, informiert sie mich. »Er ist total aufgeregt.«
»Ich sorge dafür, dass ihm der Tag in Erinnerung bleibt.«
»Ich bin gespannt auf seinen Bericht. Schlafen Sie gut!«
»Sie auch. Gute Nacht!«
Ich verlasse den Balkon, gehe noch einmal zur Toilette und schleiche mich dann ins Schlafzimmer. Als ich mich hinlege, rührt sich Arabella kurz, erwacht aber nicht. Obwohl mir meine Bettgefährtin die perfekte Vorlage fürs Kopfkino geliefert hat, denke ich beim Einschlummern an Katharina.
Schullesung
Beim Aufwachen entsinne ich mich an mein langes Gespräch mit Katharina, an den Lesetermin und den Sex.
Überraschenderweise genau in dieser Reihenfolge. Neben mir regt sich Arabella. Ich drehe mich zur Seite und betrachte sie eingehend. Sie ist so irreal schön und mit unglaublichen Talenten gesegnet. Als wenn sie meine Gedanken wahrgenommen hätte, schlägt sie die Augen auf.
»Hi«, murmelt sie schläfrig.
Sanft küsse ich ihre Stirn. »Ich mache uns Frühstück.«
»Ich mag deine All-inclusive-Dienstleistungen.« Selbst zu dieser frühen Uhrzeit schafft sie es, ihrer Aussage einen erotischen Unterton zu geben. Von einem Profi wie ihr kann man viel lernen!
***
Zwei Stunden später öffne ich den Haupteingang der Schule. Ich ziehe einen kleinen Trolley hinter mir her, in dem sich Bücher zum Verkaufen, Autogrammflyer, ein Signierstift und mein mit Kommentaren, Textstreichungen und Markierungen versehenes Vorleseexemplar des Konstantin-Klever-Werkes befinden.
In der Eingangshalle stehend, versuche ich mich zu orientieren. Obgleich diese Grundschule in meiner unmittelbaren Nachbarschaft liegt, hat sie mich trotz diverser Angebote nie für eine Lesung gebucht.
Ein Mädchen läuft an mir vorbei, ohne mich zu beachten.
»Wo befindet sich das Sekretariat?«, rufe ich ihr nach.
Laufend deutet sie in einen Gang hinein. »Da hinten!«
Ehe ich ihr danken kann, ist sie bereits um eine Ecke verschwunden.
Die Tür steht einen Spaltbreit offen, trotzdem klopfe ich an.
»Herein«, ruft eine freundliche Stimme.
Ich folge der Aufforderung
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