595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
packen können, ohne mich dabei zu wecken, öffne ich den Schrank. Der Anblick ihrer Kleidung erleichtert mein Herz.
»Arabella?«, frage ich, als ich vor dem Bad stehe. Mir wird klar, wie viel mir ihre Gegenwart in den letzten Tagen bedeutet hat. Nicht einsam auf das Ende der Nachspielzeit zu warten, macht das Todesurteil erträglicher.
Ich betrete das Bad und schalte das Licht ein. Ihre Kosmetika befinden sich auf der Ablage, insofern werde ich sie garantiert wiedersehen, denn ich gab ihr keinen Grund, panisch vor mir zu flüchten.
Warum hat sie sich aus der Wohnung geschlichen? Holt sie Brötchen für ein Wochenendfrühstück?
Ich laufe in die Küche, in der ich auf meinem Platz einen Zettel finde. Zuerst freue ich mich, weil ich am unteren Rand ein Herzsymbol und den Lippenstiftabdruck ihres Mundes entdecke. Der Inhalt der Nachricht begeistert mich allerdings nicht.
Liebster Sven!
Entschuldige meinen überstürzten Aufbruch. Ich muss mich um einige private Angelegenheiten kümmern und wollte dir nicht die Möglichkeit nehmen, auszuschlafen.
Sonntagabend kehre ich zurück. Hab ein schönes Wochenende!
Kuss
Arabella
Für einen Menschen, der jahrelang allein gelebt hat, trifft mich die Aussicht auf ein einsam verbrachtes Wochenende hart. Meine Laune zeigt mir den Mittelfinger, als hätte ich es mit größerem Einsatz verhindern können, dass Arabellas Angelegenheiten ausgerechnet heute Klärung bedürfen, und schmollt.
Ob ein Stammkunde sie für die nächsten Tage gebucht hat? Der Zeitpunkt ihres Verschwindens – Samstagmorgen vor zehn Uhr – sowie die anvisierte Rückkehr sprächen dafür.
Meine Übellaunigkeit wird nun zusätzlich vom Stachel der Eifersucht gepiesackt. Seit ihrem unerwarteten Einzug hatte mir der Umstand gefallen, wegen ihrer Auszeit vorübergehend der einzige Mann in ihrem Leben zu sein.
Niedergeschlagen schlurfe ich ins Schlafzimmer. Im Halbdunkeln bleibe ich stehen und überlege, den Rest des Tages im Bett zu verbringen. Aber so kurz vor meinem persönlichen Weltuntergang ist dies letztlich keine Option. Also ziehe ich den Rollladen hoch, lüfte das Zimmer und stelle mich anschließend ausgiebig unter eine lauwarme Dusche.
Als ich eine halbe Stunde später lustlos an einem Aufbackbrötchen knabbere, klingelt es an meiner Tür. Da ich Arabella keinen Schlüssel überlassen habe – zumal sie mich nie um einen gebeten hat –, bin ich felsenfest überzeugt, dass sie ihre Pläne verworfen hat.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht springe ich vom Küchenstuhl auf, haste in die Diele und reiße die Tür auf.
»Das ging schnell«, kommentiert Noah meine Reaktionszeit.
»Ich habe am Läuten gehört, dass du es bist. Seine Fans lässt man nicht warten!« Obwohl ich mit meiner Mitbewohnerin gerechnet habe, freue ich mich, ihn zu sehen.
»Echt?« Er klingt so, als nehme er mir die Geschichte ab.
»Quatsch! Ich bin immer so schnell. Was gibt’s?«
»Mami und ich möchten euch zu einer Fahrradtour einladen. Wir haben ein Picknick vorbereitet. Das Essen reicht für vier, sagt Mami.«
»Arabella ist übers Wochenende weggefahren.«
»Schade.« Offensichtlich wirkt ihr Charme auch auf achtjährige Jungen.
»Ich würde allerdings gerne mitkommen. Wann fahrt ihr denn los?«
»In einer Stunde.«
»Das schaff ich.«
***
Beim Öffnen meines Kellerraums habe ich ein schlechtes Gewissen wegen der Arbeit, die denjenigen erwartet, der nach meinem Tod die Entrümpelung vornehmen muss. Ich seufze unglücklich und versuche, mir einen Überblick zu verschaffen.
Beim Einzug hatte ich den Keller unorganisiert vollgestopft und in den letzten Jahren keinerlei Anstalten unternommen, das Durcheinander zu beseitigen. Ich entdecke mein Rad hinter einigen Kartons, die ich zunächst in den Gang stellen muss, um den Drahtesel überhaupt zu erreichen. Kaum ist das Fahrrad hinausgeschoben, suche ich die Luftpumpe. Wie ein Maulwurf wühle ich mich durch den rechteckigen Raum, öffne Schubladen und schaue in Pappkartons nach. Als ich schätzungsweise bei der fünfzigsten Box angekommen bin, ist meine Geduld erschöpft. »Verdammte Rotze! Wo ist das Scheißteil?«
»Kann ich helfen?«, fragt eine amüsierte Stimme.
Typisch! Ausgerechnet jetzt taucht Katharina im Kellergeschoss auf.
»Ich finde meine blöde Pumpe nicht«, beklage ich mich.
»Versteh ich gar nicht. Ihr Ordnungssystem wirkt sehr ausgeklügelt.«
»Das Genie beherrscht das Chaos!«
Nun schiebt sich Noah an seiner Mutter vorbei. Mit
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