595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
geredet?«
»Früher hat sie ganz oft geschimpft. Wenn Sie sich wie ein Stinkstiefel aufgeführt haben.«
»Dafür habe ich mich bei ihr entschuldigt.«
Noah tritt aus seinem Zimmer. Er platziert einen großen Zettel, auf dem in ordentlicher Handschrift ›Ich bin bei Herrn Frost‹ geschrieben steht, auf dem Boden vor seiner Tür. »Ja, das hat sie mir gesagt. Und sie hat davon gesprochen, wie hübsch Ihre Freundin aussieht. Irgendwie klang sie dabei komisch.«
»Inwiefern komisch?«, hake ich nach.
»Na, komisch halt.«
Da ich annehme, keine genaueren Informationen aus ihm herauszubekommen, lasse ich das Thema fallen.
Wir gehen zu mir, wo Arabella am Wohnzimmertisch sitzt und eine Banane isst.
»Hey, du bringst ja einen Gast mit«, freut sie sich.
Ich stelle die beiden einander vor, artig reicht Noah ihr die Hand.
Sie zeigt auf das Obst. »Hast du Hunger?«
Der Junge nickt zaghaft, Arabella erhebt sich und verschwindet in der Küche.
»Ich mach uns einen Obstsalat«, ruft sie.
»Die ist ja voll nett«, flüstert Noah. »Aber ich finde meine Mami hübscher.«
***
Die nächsten Stunden vergehen wie im Flug. Aus einem meiner Schränke krame ich alte Karten hervor und wir spielen einige Partien Mau-Mau, die Noah fast alle gewinnt. Zwischendurch erzählt er uns von dem Alltag mit seiner Mutter. Ich erfahre, dass sie Stammkunden in der Bücherei sind und sie ihm jeden Abend vor dem Einschlafen vorliest. Als ihm das Kartenspiel zu langweilig wird, rennt er nach oben, um Monopoly zu holen. Ich nutze die Zeit, um eine Sammlung meiner Bücher auf seinen Platz zu legen. Bei seiner Rückkehr mustert er den Bücherstapel mit großen Augen.
»Die schenke ich dir«, teile ich ihm mit. »Vorausgesetzt, du sagst nicht mehr ›Herr Frost‹, sondern ›Sven‹ zu mir.«
Ungläubig sieht er mich an, ehe er mich spontan umarmt.
Mitte der ersten Runde hat er sich bereits an die von mir gewünschte Ansprache gewöhnt. Während unseres zweiten Durchgangs klingelt es. Wie ein Blitz schießt Noah zur Tür. Wasserfallartig redet er auf seine Mutter ein. Er zieht sie an der Hand hinter sich her, zögerlich folgt sie ihm ins Wohnzimmer. Bevor sie uns begrüßen kann, deutet ihr Sohn auf die Bücher.
»Die musst du mir alle vorlesen. Sven hat sie mir geschenkt. Außerdem haben die beiden keine Ahnung, wie man Monopoly spielt.«
Katharina wirkt erfreut über die Zuneigung, die ihrem Kind hier zuteilgeworden ist. Zudem macht sie keinerlei Anstalten, das Präsent abzuweisen. Dafür bemerke ich, wie sie Arabella verstohlen mustert. Glücklicherweise trägt meine temporäre Mitbewohnerin legere Kleidung.
»Dauert euer Spiel noch lange?«, erkundigt sich Katharina erschöpft.
»Noahs Vorsprung holen wir eh nicht mehr ein«, sage ich und werfe meine Figur in den Spielekarton.
Arabella tut es mir gleich. Ehe der Junge das Gesellschaftsspiel zusammenpackt, ballt er triumphierend die Fäuste.
»Was für ein toller Tag!«
Meine Nachbarin lächelt ihn an. Danach wirft sie mir einen Blick zu, der mir durchs Mark geht. In dieser Sekunde bin ich überzeugt, dass sie die Erbschaft nicht ausschlagen wird. Allerdings ist dies kein Grund, mich nicht um weitere Sympathiepunkte zu bemühen.
»Wenn du willst«, wende ich mich an Noah, »kannst du am Montag nach der Schule wieder zu uns kommen.«
Er strahlt seine Mutter an. »Darf ich?«
»Mal schauen. Das besprechen wir in Ruhe.«
Mit dieser Auskunft ist ihr Sprössling zufrieden, er greift nach den Büchern und bittet seine Mutter, das Brettspiel zu tragen. Als sie die Wohnung verlassen haben, stupst mir Arabella in die Rippen.
»Du hast gerade zwei Herzen im Sturm erobert! Falls ich deinen Plänen im Weg bin, sag Bescheid. Nicht, dass ihr meinetwegen kein Paar werdet.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen«, erwidere ich ohne zusätzliche Erklärungen.
Überrascht sieht sie mich an, doch ich schüttle nur den Kopf und verziehe mich ins Badezimmer.
Das Siebzehn-Euro-Wochenende
Das Gefühl, allein im Bett zu sein, weckt mich am Morgen. Ich schlage die Augen auf und stelle fest, dass niemand neben mir liegt. Die Schlafzimmertür ist geschlossen, trotzdem versuche ich erfolglos Geräusche wahrzunehmen, die auf ihre Anwesenheit schließen lassen: etwa das Rauschen der Toilettenspülung oder Schritte im Flur.
»Arabella?«, rufe ich laut, erhalte aber keine Antwort. Mit leichtem Unbehagen quäle ich mich aus den Federn. Obwohl ich es für ausgeschlossen halte, dass sie ihre Sachen hätte
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