595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Rundumservice. Lustigerweise haben wir an dem Wochenende, an dem ich sie gebucht –«
Meine Nachbarin unterbricht mich mit erhobener Hand. »Du schuldest mir keine Rechenschaft. Vorletztes Wochenende hielt ich dich noch für ein Riesenarschloch.«
Ihre Reaktion lässt mich hoffen, dass die Episode mit Arabella folgenlos bleibt.
»Was kostet eine solche Frau?«, will sie wissen.
»Viertausend Euro«, sage ich, ohne darüber nachzudenken.
Abrupt erhebt sich Katharina. Entsetzen steht ihr ins Gesicht geschrieben.
»Ich muss gehen«, flüstert sie.
»Was ist los?«
»Vielleicht ist es besser, wenn Noah vorübergehend nicht mehr zu dir kommt. Sorry, aber das muss ich erst mal verdauen!«
»Katharina!« Hat sie ihre Gelassenheit bloß vorgetäuscht?
Sie wendet sich ab und hastet aus meiner Wohnung. Wie ein Häufchen Elend auf meinem Stuhl hockend starre ich ihr hinterher.
»Wo sind die beiden?«, fragt Arabella, als sie sich mit einer Tasse Kaffee zu mir setzt.
»Nach oben gegangen.«
»Ich habe einen Entschluss gefasst«, informiert sie mich. »Sofern es dir nichts ausmacht, bleibe ich bis Freitagnacht hier. Samstag breche ich früh auf, packe die Sachen in meiner Bude zusammen und warte auf eine SMS. Verliert Gudrun, fange ich irgendwo von vorne an. Mit Dimitri will ich nichts zu tun haben.«
»Gute Entscheidung«, pflichte ich ihr bei. Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, was das für mich bedeutet. An meinem letzten Tag werde ich allein sein. Arabella wird vorher verschwinden, und falls ich Katharinas Verhalten nicht völlig falsch einschätze, wird auch sie den Samstag nicht mit mir verbringen.
Ich werde einsam sterben.
Hoffentlich findet man meine Leiche, ehe unangenehme Gerüche in den Hausflur dringen.
***
»Warum warst du den ganzen Tag so still?«, fragt mich Arabella, als ich abends bettfertig ins Schlafzimmer trete. Sie hat sich bereits unter die Decke gekuschelt.
»Hm?«
»Bedrückt dich was?«
»Nö. Alles in Ordnung.« Ich lege mich zu ihr. »Gute Nacht.«
»Nicht so schnell. Ich habe noch eine Überraschung für dich.« Sie schlägt ihre Bettdecke beiseite. Von weißen Overknees abgesehen, ist sie splitterfasernackt. »Ich hätte Lust auf eine Wiederholung. Mit dir hat es Spaß gemacht.«
»Tut mir leid«, murmle ich. »Ich habe üble Kopfschmerzen. Fast wie eine Migräne.«
Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und wende mich von ihr ab. Danach schalte ich die Nachttischlampe aus. Eine Weile später – obwohl ich hellwach bin, simuliere ich eine tiefenentspannte, gleichmäßige Atmung – höre ich sie aufstehen. Sie zieht die Strümpfe aus und ein anderes Kleidungsstück an. Dann legt sie sich wieder zu mir und schläft rasch ein. Während ich stundenlang wach liege, dämmert mir eine Erkenntnis: Selbst bei einer unfassbar attraktiven Frau klingt Schnarchen unsexy.
Die perfekte Welle
Autoren verfallen leicht zwei heimtückischen Süchten: dem Googeln des eigenen Namens und dem Überprüfen des Amazon-Verkaufsranges.
Am Anfang meiner Karriere nutzte ich häufig die Suchmaschine, um nach Internetseiten zu recherchieren, die sich mit meinem Schaffen beschäftigten. Die Vielzahl von irrelevanten Ergebnissen, die bei der Eingabe meines Namens auftauchten, kurierten mich von dieser Manie. Die zweite Abhängigkeit war ohnehin viel stärker. Gerade an den ersten Verkaufstagen nach Erscheinen eines neuen Romans rief ich alle zwanzig Minuten die entsprechende Amazonseite auf, um den Verkaufsrang zu kontrollieren. Ein Sprung von 70.984 auf 10.212 löst unbeschreibliche Euphorie aus, obwohl ich weiß, dass diese Verbesserung durch ein einziges verkauftes Exemplar zustande kommt und nur eine kurze Momentaufnahme ist. Man denkt, dass nun der Startschuss ertönt und der Erfolg unaufhaltsam sei. Sinkt der Rang dann langsam (14.040, 17.305 …) beschwört das Depressionen herauf. Natürlich tröstet man sich, mit dem Gedanken an die Millionen Druck-Erzeugnisse, die auf dieser Plattform angeboten werden und sich hinter dem eigenen Werk einreihen. Hauptsächlich jedoch wird das Denken von zwei Fragen beherrscht: Warum gibt es 17.304 besser platzierte Bücher? Was haben die, was mein Text nicht hat?
Seit meiner vorübergehenden Wiederauferstehung habe ich nicht eines meiner Kinderbücher überprüft. Der Sensenmann hat mich von dieser Sucht befreit. Mir ist die geringe Aussagekraft des Rankings bewusst geworden. Zumindest für einen Menschen, dessen schriftstellerische Ambitionen
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