duellieren. Diese Schlussfolgerung führt mich jedoch letztendlich zu einer vielversprechenderen Erwägung. Ich kenne meinen genauen Todeszeitpunkt. Falls ich es schaffe, bei Eintritt des Todes irgendwo allein mit ihm zu sein, gerät er eventuell in Verdacht, mein Sterben aktiv herbeigeführt zu haben. Diesen Gedanken in meinem Kopf wälzend, schlafe auch ich schließlich ein.
Totalverriss
Nach einem schweigsamen Frühstück ziehe ich mich in mein Arbeitszimmer zurück und schalte den Computer ein. Seit dem Aufwachen kreist mein Denken um die Fragestellung, wie ich Dimitri meinen Tod in die Schuhe schieben kann. Leider bin ich kein Krimischriftsteller, insofern fällt es mir schwer, ein Verbrechen zu konstruieren.
Die Benachrichtigung über eine eingegangene E-Mail reißt mich aus meinen Überlegungen. Erstaunt bemerke ich den Absender:
[email protected].
Der Anhang ist mehrere Megabyte groß. Schmuggelt er mir ernsthaft einen Virus unter? Hofft er damit, mein Schreiben zu torpedieren? Ich lasse die Nachricht durch ein Antivirusprogramm checken. Sie scheint sauber zu sein. Mit ungutem Gefühl öffne ich sie.
Da ich Sie nicht in unserem Abonnentenverzeichnis fand, erlaube ich es mir, einen Teil der heutigen Ausgabe einzuscannen und Ihnen zur Verfügung zu stellen.
Keine Anrede, keine Verabschiedungsformel. Mein Puls erhöht sich, als ich auf das PDF-Symbol klicke. Es dauert eine Weile, bis sich das digitalisierte Dokument aufgebaut hat. Danach blicke ich auf sieben meiner acht Buchcover.
Im Anschluss an meine letzte Mittwochssenfkolumne erhielt ich interessante Leserzuschriften. Viele von Ihnen stimmen meiner Argumentation völlig zu. Allerdings gab es auch kritische Anmerkungen, ob ich mit dem Kinderbuchautor Sven Frost und seinem Werk nicht zu hart ins Gericht gegangen sei. Vielleicht – so vermuten manche – hätte ich das Buch zu Ende lesen müssen, um zu einem besseren Gesamteindruck zu kommen. Möglicherweise – so argumentieren andere – sind die übrigen Romane dieses in der Region wohnhaften Schriftstellers gelungener.
Ich bin jederzeit bereit, meine Bewertung zu hinterfragen. Also nahm ich
Konstantin Klever
erneut zur Hand, um es nach weiteren zwanzig Seiten wieder wegzulegen. Es tut mir leid, doch dieses Geschreibsel ist eine Zumutung.
Um zu beweisen, dass ich jedem Künstler eine zweite, dritte und vierte Chance gebe, habe ich alle Bücher des Autors bestellt und gelesen. Hiermit präsentiere ich die detaillierteste Werkschau, die die RZ jemals einem Kunstschaffenden zuteilwerden ließ.
Unter den Covern befinden sich die vom Klappentext abgeschriebenen Inhaltsangaben und eine kurze Rezension.
Tamara und der Fluch der hässlichen Warzenhexen
Schon beim Titel schwante mir Böses. Wäre es nicht besser gewesen, auf das Adjektiv zu verzichten? Wie könnte eine Warzenhexe hübsch sein? Bedauerlicherweise treibt der Buchinhalt diese überflüssigen Übertreibungen auf die Spitze. Ein Fantasybuch ohne Fantasie, dafür voller Klischees.
In diesem Tonfall geht es weiter. Er verreißt jedes meiner Bücher, manchmal mit haarsträubenden Argumenten; die meisten Besprechungen triefen vor Sarkasmus. Die beste Beurteilung erhält mein Erstlingswerk.
Dinosaurier und andere Schwierigkeiten
Erstaunlich!, dachte ich beim Lesen des Debütromans von Sven Frost. Man merkt die Unerfahrenheit an manchen krummen Sätzen und wünscht dem Erstling ein ausführlicheres Lektorat. Auch werden Handlungsfäden aufgegriffen, die ins Leere laufen oder irrelevant sind. Trotzdem schmunzelte ich bei einigen Passagen und würde dieses Buch nicht als völlige Zeitverschwendung betrachten. Schade, dass seine Entwicklung danach so negativ war.
Um nicht mit einer positiven Einschätzung zu enden, befindet sich diese Kritik an vorletzter statt letzter Stelle, obwohl er ansonsten chronologisch von den aktuelleren zu den älteren Büchern vorgegangen ist.
Ich spüre einen Stich im Herzen, eine Beklemmung in der Brustgegend, und massiere mit meiner rechten Hand den Brustkorb. Während ich grüble, wie viel Geld ich einem Hacker bezahlen müsste, um die Homepage der Zeitung für Tage oder wenigstens Stunden stillzulegen, klingelt meine Privatleitung.
»Hallo?«
»Melanie hier. Guten Morgen Sven.«
Verblüfft erwidere ich ihren Gruß.
»Hast du die RZ abonniert?«, fragt sie mich.
»Zumindest habe ich die Rezensionen gelesen. Eine halbe Seite ist meinen Büchern nie zuvor zugebilligt worden.«
»Es tut mir leid, dass er dir nach