595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
Normseiten?«
»Ab acht«, antworte ich. »Die Seitenzahl muss ich eben rausfinden.« Ich öffne meine Schreibsoftware und klicke das Dokument an. »Zweiundachtzig.«
»Zweiundachtzig Normseiten, ab acht Jahren. Mit Illustrationen etwa einhundertsechzig Druckseiten. Verkaufspreis zwölf Euro.« Mir wird bewusst, dass er nicht mit mir spricht, sondern laut überlegt. »Startauflage zehntausend Stück. Okay. Das passt. Vertritt Sie eigentlich eine Agentur?«
»Bisher nicht.«
»Wie wunderbar! Haben Sie eine Faxnummer?«
»Weswegen?«, frage ich verblüfft.
»Ich faxe Ihnen einen Buchvertrag zu. Achttausend Euro Garantiehonorar, am Ende dürfte deutlich mehr herausspringen. Die Hälfte überweisen wir direkt nach der Vertragsunterzeichnung. Schicken Sie mir bitte den Text mit dem unterschriebenen Vertrag zu.«
»Sie wollen es vorher nicht lesen?«, entfährt es mir.
»Habe ich Ihre Zusage? Unterschreiben Sie zu diesen Konditionen?«
»Klar.«
Nun lacht er. »Vorher lesen? Warum? Manchmal laufen Vampirbücher, manchmal Sadomasoromane. Und derzeit laufen eben Sven-Frost-Romane. Da muss ich nichts prüfen, sondern bloß schneller als die Konkurrenz sein. Bei mangelnder Qualität sorge ich für die Druckreife. Sie erhalten in fünf Minuten das Fax. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.«
»Ich mich auch«, erwidere ich perplex.
»Jetzt fehlt mir nur noch Ihre Faxnummer.«
Vier Minuten und zwanzig Sekunden später empfängt mein Faxgerät das Vertragswerk. In dem Paragrafen, in welchem normalerweise der Titel aufgeführt ist, soll ich den Arbeitstitel eintragen.
Nachdem ich nachmittags zum vierzehnten Mal festgestellt habe, dass meine Bücher noch immer ähnliche Ränge belegen – nur
Wilde Mäuse
ist auf Platz achtundfünfzig abgerutscht, was mir einen kleinen Stich versetzt –, fasse ich all meinen Mut zusammen. Ich mache mich auf den Weg in die obere Etage und klopfe, kurz darauf wird die Tür aufgemacht.
»Sven!«, ruft Noah begeistert. »Mami hat mir erzählt, du hättest in den nächsten Tagen wenig Zeit.«
»Ist deine Mutter da? Ich würde sie gerne sprechen.«
»Sie ist in der Küche.«
Noah führt mich zu ihr. Katharina reinigt gerade einen Topf.
»Sven ist gekommen«, erklärt ihr Sohn.
Sie lächelt mich an, doch ich entdecke darin nicht mehr die reine Zuneigung, die mir vor meinem Geständnis bezüglich Arabella zuteilgeworden ist.
»Was gibt’s?«, fragt sie.
»Können wir miteinander reden?«
Sie zieht ihre gelben Spülhandschuhe aus und setzt sich an den Küchentisch. Ihr Kind nimmt sich ebenfalls einen freien Stuhl.
»Schatz, lässt du uns bitte allein?«
»Erwachsenengespräch?«, folgert der Junge.
Seine Mutter nickt.
»Wie langweilig!«, brummt er und verlässt die Küche.
»Reden wir!«, fordert sie mich auf.
»Ich bin seit zwei Jahren Single«, flüstere ich stockend. »Mir hat menschliche Nähe gefehlt, mir hat Sex gefehlt.« Meine Augen werden feucht, ich versuche aber erst gar nicht, das vor ihr zu verheimlich. »Ich gehe nicht einfach am Wochenende in eine Bar, um Frauen aufzureißen. Dafür bin ich nicht der Typ. Plötzlich ergab sich eine Situation, in der ich es mir leisten konnte, sie zu buchen. Deswegen tat ich es. Dann seid ihr in mein Leben getreten und habt mir so viel mehr geschenkt, als ich es mir erträumt hätte. Viel mehr, als mir Arabella gegeben hat.«
»Bloß keinen Sex«, wirft Katharina zwinkernd ein. Dieser Reaktion entnehme ich, dass meine Glückssträhne noch nicht beendet ist.
Ich grinse. »Zeit mit euch zu verbringen, fehlt mir. Ihr habt mich glücklich gemacht.«
Sie greift über den Tisch und berührt meine Hand. »Ich war nicht geschockt, weil sie eine Prostituierte ist«, klärt sie mich auf. »Sie ist so unfassbar attraktiv. Wäre ich ein Mann, würde ich auch für Sex mit ihr bezahlen. Ich war wegen der Summe schockiert. Viertausend Euro. Weißt du, wie viele Monate wir von viertausend Euro leben könnten? Dadurch wurde mir klar, wir bewegen uns in völlig verschiedenen Welten. Das kann nicht funktionieren. Du bist ein wohlhabender Autor, ich bin eine arme Kirchenmaus.«
»Nein! Nein! Nein!«, widerspreche ich energisch. »Ich bin nicht wohlhabend. Unter anderen Umständen hätte ich mir dieses Luxusweib nicht gegönnt.«
»Unter welchen Umständen?«
Ich zucke nur mit den Schultern, denn ich werde ihr nicht von meinem nahenden Ende berichten. »Können wir das ausklammern?«
»Kein Ding!«
»Würdet ihr euch weiter mit mir
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