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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gar nicht bemerke. Er war verurteilt, vor ihr zu stehen wie Sisyphus, Schätze zu erblicken, die er niemals zu erreichen hoffen durfte.
    „Es ist eigentlich Gott selbst, der mich zu Ihnen sendet, gnädige Frau“, antwortete er endlich.
    „Gott selbst? Das ist eine unendliche Ehre für Sie. Er pflegt doch gewöhnlich nur Apostel und Propheten zu senden. Also welcher Art ist Ihr Auftrag?“
    „In einem Haus in der Wasserstraße, welche das Eigentum des gnädigen Herrn ist, zog heute morgen der Tod ein. Ein braver, glaubenstreuer Familienvater wurde seinen Kindern entrissen. Die Kleinsten befinden sich jetzt bereits im Waisenhaus. Nun ist aber noch die älteste Tochter zu versorgen.“
    Er machte eine Pause. Ella ahnte, um was es sich handelte. Sie hatte gute Laune genug, dem frommen Mann die Sache zu erleichtern.
    „Sie suchen wohl eine Stellung für sie?“ fragte sie.
    „Ja, ja; das ist es, was ich bemerken wollte.“
    „Und wenden sich in dieser Beziehung an mich? Schön! Das finde ich sehr lobenswert von Ihnen!“
    Ganz glücklich über diese Worte verneigte er sich fast bis auf den Teppich herab.
    „Ich kenne das gute, milde, menschenfreundliche Herz der gnädigen Frau Baronin!“
    „So? Wann und wo haben Sie es kennengelernt?“
    Diese Frage brachte ihn in außerordentliche Verlegenheit. Er hatte noch niemals Veranlassung gefunden, über das gute Herz der Baronin eine Erfahrung zu machen.
    „Überall und stets!“ antwortete er. „Die Mildtätigkeit Euer Gnaden ist ja in der ganzen Stadt bekannt!“
    „Das gereicht mir zur besonderen Ehre. Darum sollen Sie sich auch dieses Mal nicht vergeblich an mich wenden.“
    Er verbeugte sich abermals.
    „Ich bin ganz entzückt, Hoheit!“
    „Ich sehe es!“ lächelte sie. „Ich werde mich also nächster Tage erkundigen, ob bei einer meiner Freundinnen oder Bekannten für unseren Schützling ein Placement zu finden ist.“
    Sie spielte mit ihm, wie die Katze mit der Maus. Er machte eine abwehrende Handbewegung und stotterte:
    „Meine Mündel ist, wie ich bereits erwähnte, in einer sehr gottesfürchtigen Familie erzogen worden. Der Same, welchen ich da säte, soll nicht verloren werden. Das Mädchen ist eine reine Seele, welche nach Gott und dem Himmel dürstet, und so ist es meine heilige Pflicht, sie nur in eine Familie zu geben, in welcher der wahre Glaube und die echte Gottesfurcht vorhanden sind.“
    „Das ist sehr löblich von Ihnen!“
    Diese Zustimmung gab ihm die Gabe der Rede vollständig zurück:
    „Da ich nun weiß, daß das Haus der gnädigen Frau Baronin ein Tempel ist, in welchem die wahre Verehrung herrscht, so hätte ich es als eine Schickung des Allerhöchsten angesehen, wenn es möglich gewesen wäre, hier ein Plätzchen für das gute Kind zu finden.“
    „Ah! Sie wünschen eine Stellung für sie bei mir?“
    „Ja, gnädige Frau. Der Himmel wird es Ihnen lohnen, was Sie hier auf Erden an der armen Waise tun!“
    „Als was soll ich sie denn engagieren?“
    „Als was Sie denken!“
    Da schnipste sie fröhlich mit den Fingern, warf ihm einen pfiffig-maliziösen Blick zu und sagte:
    „Ich kann sie leider nicht gebrauchen, aber mein Mann, der Baron hat vielleicht irgendeine Verwendung – nicht?“
    Er trat erschrocken einen Schritt zurück.
    „Gnädige Frau!“
    „Papperlapapp! Wie alt ist sie?“
    „Neunzehn.“
    „Wie heißt sie?“
    „Marie Bertram.“
    „Ist sie hübsch?“
    „Die Vorsehung hat ihr in ihrem Äußeren allerdings eine Empfehlung für ihre irdische Pilgerschaft gegeben.“
    „Ist sie munter?“
    „Nein, eher nachdenklich. Die Kinder Gottes pflegen ernst zu sein.“
    „Nicht wahr, mein Mann wünscht, daß ich sie engagiere?“
    „Er hat allerdings gemeint, daß es ein Fingerzeig des Himmels sei, daß ihr Vater in einem Haus gestorben ist, welches dem gnädigen Herrn gehört.“
    „Reden wir aufrichtig. Ist er verliebt in sie?“
    „Gnädige Frau!“ rief der Mann, ganz erschreckt die knochigen Hände faltend.
    „Gut! Ich werde sie also nicht engagieren!“
    Dieser plötzliche Entschluß brachte ihn in die allergrößte Verlegenheit.
    „Sie weisen mich zurück? Mein Herz glaubte bereits, ein Hosianna singen zu können –!“
    „Ja. Ich muß Ihnen leider sagen, daß mein Mann ein großer Liebhaber weiblicher Schönheiten ist. Ich engagiere infolgedessen, um ihm gefällig zu sein, nur hübsche Mädchen, welche nicht prüde sind und ihm gefallen. Ihre Mündel kann ich also nicht gebrauchen!“
    Da beeilte

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