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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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abschließen.“
    „Ich bin ganz Ohr, diesen Namen zu hören.“
    „Ella von Helfenstein.“
    „Ah, das ist ja der Ihrige!“
    „Allerdings. Genügt er nicht, Sie zur Besserung zu bewegen?“
    Er blickte ihr voll in die Augen. Dieser Blick hatte etwas Triumphierendes an sich. Er erkannte ja, daß er mit seinen Vermutungen, die immerhin verdienten, kühn genannt zu werden, das Rechte getroffen hatte. Sie aber verstand diesen Blick ganz anders. Sie las aus demselben den Triumph, sie besiegt und erobert zu haben; darum fuhr sie fort:
    „Darf ich hoffen, daß meine erste, allerdings unausgesprochene Bitte in Erfüllung gehen werde?“
    Sein Gesicht wurde ernst.
    „Ella“, sagte er, „wollen Sie mich zwingen, der Einsamkeit zu entsagen, die mir so lieb geworden, so unentbehrlich ist? Wollen Sie mich zwingen, mich in Gesellschaften zu zerstreuen, deren Glieder mir innerlich fern stehen und mir stets fremd bleiben werden?“
    „Nein, das will ich nicht, ganz gewiß nicht. Aber sagen Sie, Durchlaucht, bin auch ich Ihnen fremd?“
    „Welche Frage!“
    Da trat sie zu ihm heran, legte ihm den vollen Arm auf die Schulter und fragte in ihrem süßesten Ton:
    „Also nicht? Ich bin Ihnen nicht fern?“
    „Ich beteure Ihnen, daß Sie mir unendlich nahe stehen!“
    Er sagte mit diesen zweideutigen Worten allerdings das Richtige; denn sie stand ganz nahe bei ihm, so nahe, daß ihr Körper den seinigen berührte.
    „Nun, dann bin ich zufrieden“, versicherte sie. „Dann ist es ja gar nicht meine Absicht, Sie für andere zu gewinnen. Ich würde dann am allermeisten verlieren. Aber, Durchlaucht, dann dürfen Sie doch wenigstens mir gewähren, was Sie anderen versagen!“
    „Den Zutritt zu mir?“
    „Ja. Ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß ich vor Verlangen brenne, die Räume zu sehen, welche Sie bewohnen. Ich muß erfahren, wie und wo derjenige lebt und wohnt, dem – ich so nahe stehe. Ist dieser Wunsch so ganz und gar unerfüllbar?“
    „Nein, Ella, er ist nicht nur erfüllbar, sondern er erfüllt mich sogar mit inniger Freude, mit Entzücken. Aber –“
    Sie wartete, daß er fortfahren solle, als er jedoch schwieg, fragte sie in schmeichelndem Ton:
    „Soll ich mich mit diesem Aber zufriedengeben?“
    „Ist es denn möglich, Sie allein bei mir zu empfangen?“
    „Ich soll also die einzige sein, der Sie Ihr Sesam öffnen?“
    „Es gibt allerdings nur eine allereinzige Person, der ich eine Ausnahme gestatte, und diese Person sind Sie.“
    „Und Sie meinen, daß ich diese Erlaubnis nicht benützen kann?“
    „Die Dehors –“
    Da legte sie ihm auch die andere Hand auf die Schulter, neigte sich zu ihm, der auf dem Stuhl saß, nieder und fragte:
    „Kennt die Liebe Dehors? Nein! Sie hat ihre eigenen Gesetze und denen gehorcht sie, ohne zu fragen, ob sie nach den kalten Regeln der Konvenienz handelt. Darf ich kommen?“
    Er tat, als ob er nur ihrem liebevollen Drängen weiche:
    „Ja, Ella.“
    „Wann?“
    „Wollen Sie das nicht selbst bestimmen?“
    „Gut! Heute?“
    „Ah, heute bereits?“
    Er tat, als ob er beinahe erschrocken sei. Sie stieß ein kurzes goldenes Lachen aus und fragte:
    „Sind Sie bereits für anderwärts engagiert?“
    „Nein. Ich werde während des ganzen Abends zu Hause sein.“
    „Gut, so komme ich!“
    „Aber – der Baron!“
    „Der Baron? Mein Mann? Pah! Er wird sehen und bemerken, daß ich ausfahre, weiter nichts. Er ist rücksichtslos gegen mich und so bin ich ihm keine Rechenschaft schuldig.“
    „So werde ich Sie also erwarten.“
    „Aber nicht für kurze Zeit. Ich lasse meinen Wagen wieder zurückgehen. Sie werden die Güte haben, mich dann nach Hause fahren zu lassen. Ich quartiere mich förmlich bei Ihnen ein. Ich muß mich ganz genau bei Ihnen umsehen, um zu wissen, in welche Umgebung ich Sie zu versetzen habe, wenn ich an Sie denke und von Ihnen träume. Ist Ihnen das unangenehm?“
    „Wollen Sie mich kränken, gnädige Frau?“
    „Gnädige Frau! Wie kalt!“
    „Und doch bediene ich mich dieses Ausdrucks mit vollem Recht. Ich bedarf Ihrer Gnade. Ich werde für einen ganzen Abend dem Eindruck Ihrer Schönheit vollständig schutzlos preisgegeben sein.“
    „Nun, so wird es auf Sie selbst ankommen, ob ich Gnade walten lasse. Für jetzt fühle ich keinen Beruf dazu.“
    Er fühlte, daß sie im Begriff stand, sich inniger an ihn zu schmiegen; darum erhob er sich rasch und trat einen Schritt zurück.
    „Ich hoffe doch nicht, daß Sie bereits wieder aufbrechen

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