60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
Wort ‚Nacht‘ öfters aus?“
„Ja, und zwar in einem geradezu anbetenden Ton.“
„Erinnern Sie sich, in welchem Verlag die Gedichte von Hadschi Omanah erschienen sind?“
„Bei Zimmermann hier.“
„Ah! Welch eine Entdeckung! Welch eine Entdeckung! Herr Assessor, ich setze eine Million Gulden zum Pfand, daß dieser Robert Bertram unschuldig ist, vollständig unschuldig!“
Diese Worte brachten einen außerordentlichen Eindruck hervor, zumal der Fürst sich ganz von seiner Idee begeistert zeigte. Seine Augen leuchteten auf Fanny in einem rätselhaften Lichte.
„Ich möchte das gern beweisen können“, sagte der Beamte. „Aber woher den Beweis nehmen?“
„Die Psychologie liefert den Beweis, die Psychologie, Herr Assessor!“
„Darf ich fragen, auf welche Weise?“
„Jetzt nicht, hier nicht, später, morgen! Aber ich bin vollständig überzeugt, Ihnen den Beweis liefern zu können. Lassen Sie mich lieber auf meinen ersten Punkt zurückkommen, auf die Annahme, daß der ‚Hauptmann‘ dem Riesen aus dem Gefängnisse geholfen hat. Wer, Herr Assessor, hat die Anzeige gebracht, daß ein Einbruch stattfinden soll?“
„Ein Kunstmaler Brenner.“
„Woher wußte er es?“
„Vom Fürsten des Elends.“
„Das ist es, was ich hören wollte. Dieser rätselhafte Fürst des Elends scheint besser unterrichtet zu sein als selbst die Beamten. Ich machte heute eine Spazierfahrt. Unterwegs bat mich ein Herr, welcher sich den Fuß vertreten hatte, ihn mit in mein Coupé zu nehmen, und ich tat es. Wir unterhielten uns, unter anderem auch von den Tagesneuigkeiten und von dem Einbruch. Der Fremde behauptete, daß der ‚Hauptmann‘ den Riesen befreit habe, nur für kurze Zeit, nur für die Zeit des Einbruchs. Der Riese mußte sich ein Mal auf die Wange machen. Fräulein von Hellenbach mußte dieses Mal sehen, sie mußte es später bei der Anzeige erwähnen. Der Einbrecher nannte sich Bormann; er hatte ein Mal. Der echte Bormann hat kein Mal; daraus konnte der Verteidiger des Riesen bei einiger Geschicklichkeit den Schluß ziehen, daß es einen Menschen gebe, welcher dem Angeklagten täuschend ähnlich sehe. Ja, bei Raffinerie und falls Daten eintrafen, auf welche man gerechnet hatte, die aber durch die Entdeckung des Einbruchs vereitelt wurden, konnte wohl gar bewiesen werden, daß der Riese an dem Verbrechen, wegen dessen er sich in Untersuchungshaft befand, unschuldig sei.“
„Eine kühne Behauptung“, meinte der Assessor.
„Das dachte ich auch; aber als ich erfuhr, wer es war, der diese Behauptung aufstellte, warf ich allen Zweifel beiseite. Nämlich als der Fremde ausstieg, wo ein Seitenweg von der Straße abzweigte, bedankte er sich und sagte: ‚Mein Herr, Sie werden manches meiner Worte wunderbar gefunden haben. Ich bin der, den man den Fürsten des Elends nennt!‘“
„Der Fürst des Elends?“ rief der Assessor.
„Der Fürst des Elends?“ fielen die anderen ein.
„Ja“, antwortete der Gefragte. „Ich war mit dem Fürsten des Elends gefahren, und nun glaubte ich alles, was er behauptet hatte.“
„Wie sah er aus? Wie trug er sich?“ fragte Fanny.
Der Fürst gab eine beliebige Beschreibung und wendete sich dann an den Assessor:
„Ich konnte ihm natürlich nicht folgen, auch verzichtete ich darauf, ihn zurückzurufen, da dies jedenfalls vergeblich gewesen wäre; aber ich glaube, annehmen zu dürfen, daß Sie meinem Berichte einen kleinen Fingerzeig entnehmen können.“
„Gewiß! Überhaupt bin ich ebenso erstaunt wie erfreut darüber, daß ich hier Aufklärung finde, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Der Gang der Untersuchung wird von jetzt an ein ganz anderer werden, wenn auch der Grund bestehen bleibt, welcher mich zu Ihnen geführt hat. Da nämlich der Angeklagte nicht bei sich ist, so hat der Gerichtsrat beschlossen, ihn morgen mit zum Begräbnis seines Vaters zu ziehen. Er hofft, daß die Feier einen wohltätigen Eindruck auf den gestörten Geist Bertrams äußern werde.“
„Hm!“ meinte der Fürst. „Bertram soll wieder zu sich kommen? Erwartet man das?“
„Ja.“
„Die Möglichkeit ist allerdings vorhanden; aber bedenklich ist es doch, einen geistig gestörten Untersuchungsgefangenen bei einer solchen Gelegenheit zu zeigen.“
„Man muß es riskieren.“
„Es wird ein außerordentliches Publikum vorhanden sein!“
„Das steht freilich zu erwarten; doch sieht der Herr Gerichtsrat darin keinen Grund, seinen Entschluß zu ändern.“
Der Fürst
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