60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
Seite an. Er bemerkte das, antwortete aber in ruhigem Ton:
„Auch sie!“
„So wirst du ihr Urlaub geben?“
„Urlaub? Wieso?“
„Nun, darf sie ohne deine Genehmigung ausgehen?“
„Ich weiß wirklich nicht, was du sprichst. Du redest manchmal so dummes Zeug, daß ich recht drastisch daran erinnert werde, daß die jetzige Baronin von Helfenstein einst die Kammerzofe einer echten Helfenstein gewesen ist.“
„Franz!“
Sie hatte sich erhoben und das Wort in drohendem Ton ausgesprochen. Beim Vornamen pflegte sie ihn nur dann zu nennen, wenn sie die Absicht hatte, ihn ihre Übermacht fühlen zu lassen. Jetzt aber nahm er gar keine Notiz davon. Er strich sich die Spitzen seines Bartes aus und sagte:
„Ich muß wirklich gestehen, daß du keine sehr gute und aufmerksame Hausfrau bist. Wärst du eine solche, so würdest du vor allen Dingen die Zu- und Abgehenden unserer Bedienung kennen. Wie es scheint, ist es dir bereits entfallen, daß du diese Marie Bertram, weil sie dir nicht genügte, sofort wieder aus dem Dienst entlassen hast!“
„Ich?“ fragte sie erstaunt.
„Ja, du! Ebenso werde ich, nicht du, den Fürsten fortgejagt haben, wenn du einst mit ihm unzufrieden bist.“
„Ich verstehe! Aber das, was du da andeutest, steht hier niemals zu befürchten!“
„Warten wir es ab! Also bis zehn Uhr wirst du zurück sein. Gelingt der Coup, wie ich erwarte, so weißt du, daß ich nicht so geizig bin wie ein anbetender Fürst. Seine Wohnungen sollen von Kostbarkeiten strotzen. Was aber kann mir an Uhren und dergleichen liegen, mögen sie auch noch so wertvoll sein! Die Hauptsache ist, daß du erfährst, wo sich seine Juwelen befinden. Haben wir die, so werden wir sogar seine Barschaften liegen lassen. Der eiserne Geldschrank würde uns doch nur schlimme Arbeit machen. Von dem Hofjuwelier aber weiß ich, daß der Fürst bei ihm einen ungeschliffenen Diamanten im Werte von einer halben Million taxieren ließ. Und solcher Steine soll er viele haben. Je liebenswürdiger du mit ihm bist, desto offenherziger wird er gegen dich sein und desto leichtere Arbeit werden wir dann haben.“
Sie zuckte verächtlich die Achsel.
„Man sieht abermals, wie notwendig ich dir bin“, sagte sie. „Aber – arbeitest du selbst mit?“
Sie betonte das ‚arbeiten‘ stark. Natürlich hatte sie die Absicht, ihn mit diesem Terminus technicus zu beleidigen; er aber fragte im gleichmütigsten Ton:
„Warum erkundigst du dich?“
„Ich halte das Unternehmen nicht für ungefährlich. Der Fürst ist ein ungewöhnlicher Mann!“
„Ah, du liebst mich dennoch! Ich danke dir! Du bist außerordentlich besorgt um mich! Ich bin glücklicherweise in der Lage, dein banges Herz zu beruhigen. Ich werde zwar das Unternehmen leiten, das Palais aber nicht selbst betreten. Du kannst also ohne Sorge auf meine Rückkehr warten!“
„Spotte immerhin! Seit dem Auftauchen dieses sogenannten Fürsten des Elends sind euch alle eure bedeutenderen Unternehmen mißglückt. Nehmt euch wenigstens heute in acht!“
Sie ließ ihn stehen und begab sich in das Nebenzimmer. Dort lauschte sie, bis sie hörte, daß er sich entfernte. Dann verließ sie ihre bisherige Kaltblütigkeit. Sie schlug die Hände zusammen und sagte in einem fast rauh von ihren Lippen kommenden Ton:
„Ein wahrer Diamant im Wert von einer halben Million! Und er hat noch viele solche Steine! Herrgott, wären sie mein! Ich würde frei und unabhängig sein. Ich könnte mich von diesem Baron von Helfenstein trennen, wenn auch nicht durch die Scheidung so doch faktisch. Es nimmt mit ihm auf alle Fälle einmal ein schlimmes Ende! Zwar kann ich jetzt auf den Fürsten rechnen; aber auf wie lange? Seine Frau werden? Niemals! Das ist eine Unmöglichkeit, obgleich ich ihn unendlich liebe. Ich könnte die geringste seiner Dienerinnen sein und mich doch unsagbar glücklich fühlen! Liebt er mich wirklich wider, so hat eine solche Liebe doch nicht ewig Bestand. Zwar bin ich noch immer schön, doch wird auch das nur kurze Jahre oder gar bloße Monate währen; dann ist's vorüber, und er verläßt mich. Diese Steine würden mich für immer sicherstellen. Entdecke ich sie, so werden sie geraubt und ich – ich habe nichts davon. Ist es da nicht besser, ich versuche, sie in meinen Besitz zu bringen, ohne daß der Baron etwas davon ahnt? Es wird dann heißen, sie seien von dem ‚Hauptmann‘ geraubt worden, und kein Mensch sucht sie bei mir. Einen davon müßte ich sofort verwerten, um für alle
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