60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
fiel, wallte es in ihr auf vor Liebe, törichter Liebe und Zärtlichkeit. Es war so, wie er zu sich gesagt hatte: Sie war seine Sklavin geworden; sie konnte nicht mehr von ihm lassen. Je kälter er sich zeigte, desto tiefer grub sich die Liebe in ihre Seele; ihr Zorn, ihr momentanes Verlangen nach Rache waren ja nur eine ganz natürliche Folge ihrer Leidenschaft.
So durchschritten sie, von Adolf geführt, welcher einen goldenen sechsarmigen Leuchter trug, alle disponiblen Räume des Palastes. Hatte sie sich bereits vorher geblendet gefühlt, so war sie jetzt fast erdrückt unter der Last des Reichtums, der ihr von überall entgegenblickte. Sie sah Hunderte von Gegenständen, deren Namen sie nicht einmal kannte. Was waren die Häupter der hiesigen Hautevolee, was war auch der Baron, ihr Mann, gegen diesen indischen Nabob!
Und dabei erzählte er ihr mit einigen kurzen, ganz gleichgültig hingeworfenen Worten, daß sein Vermögen sich in Indien befinde, diese Besitzung hier aber nur eine Art augenblicklicher Unterschlupf sei.
Endlich kehrte sie in das Arbeitskabinett zurück. Sie warf sich fast ermüdet, sicher aber enttäuscht, auf einen Sessel nieder.
„Durchlaucht“, sagte sie, „man ist mit Gewalt, mit wahrer Gewalt gezwungen, Sie zu beneiden! Es fehlt Ihnen allein nur ein Wesen, welches diese Reichtümer mit Ihnen teilt, wodurch Sie sich erst in den wirklichen Genuß derselben setzen würden. Es fehlt Ihnen das liebende und geliebte Weib, welches, mit Ihren Brillanten geschmückt, Sie und Ihr Leben mit Rosen bekränzen würde.“
Er verstand die Erwähnung der Brillanten sofort. Ein kurzes, überlegenes Lächeln zuckte um seinen Mund, dann machte er eine halb elegische, halb wegwerfende Handbewegung und sagte:
„Pah! Nicht Schätze machen glücklich! Ich war nicht immer so reich, und bevor ich es war, fühlte ich mich glücklicher. Ein einziger warmer Sonnenstrahl ist dem Erdenleben mehr wert, als aller Goldesglanz, ein Blick des Himmelsblau durch Wolkengrau ist köstlicher, als die Saphire aller Diademe und Kronen, und ein frischer grüner Grashalm hat für die lebende Natur mehr zu bedeuten, als ganze Hände voll glänzender Smaragde. Was haben Sie gesehen? Die häusliche Einrichtung eines einsamen Mannes. Ein einziger meiner Steine und Brillanten wiegt alles dieses auf; aber reicht ihr ganzer Wert hin, mein Leben um eine einzige Sekunde, um den millionsten Teil eines Augenblickes zu verlängern?“
Sie hob den so geschickt hingeworfenen Köder sofort auf.
„Steine, Brillanten besitzen Sie?“
„Einige“, antwortete er gleichmütig.
„Aber ich sah sie ja noch nicht!“
„Ich wußte nicht, daß Sie sich für diese tote Welt interessieren.“
„Tote Welt!“ rief sie aus. „Ist der Glanz kein Leben? Ist er nicht ebenso ein Leben, wie der Duft Leben ist? Gibt es ein weibliches Wesen, welches sich nicht für Schmuck und Kleinod interessiert, ja begeistern kann?“
„Sie haben recht. Ich sehe ja, daß Sie bereits förmlich begeistert sind. Aber Sie müßten mir in mein Toilettenzimmer folgen.“
„Oh, wenn es gilt, Brillanten zu betrachten, da ist man nicht prüde, da folgt man selbst dem fremdesten Herrn noch weiter, als bis in das Toilettenzimmer!“
„So bitte, kommen Sie!“
Er trat in das Nebengemacht. Es war dies ein mit dem äußersten Luxus ausgestattetes Ankleidegemach. In die Augen fielen besonders zwei Möbel, nämlich ein großer, feuerfester Geldschrank, und sodann ein zweiter Schrank, hoch, breit und mit den feinsten Hölzern nach chinesischer Manier ausgelegt. Der Fürst deutete auf den ersteren.
„Das ist meine Kasse“, sagte er. „Erschrecken Sie leicht?“
„Nein“, antwortete sie.
„So bitte, betrachten Sie sich zuerst diesen Schild aus Stahlketten. Er ist von bester luzonischer Arbeit und von dem berühmtesten igorotischen Waffenschmied angefertigt. Ich gebrauche ihn als Kugelfang.“
Er deutete auf einen dem Geldschrank grad gegenüber an der Wand befestigten Schild, der aus lauter kleinen und größeren zu konzentrischen Rosetten vereinigten und ineinanderlaufenden Stahlringen, welche aber wie reines Silber glänzten, gefertigt war. Diese Arbeit war wirklich künstlerisch; er mußte sie teuer bezahlt haben.
„Als Kugelfang?“ fragte sie. „Wieso?“
„Passen Sie auf!“
Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche und warf ihn, seitwärts stehend, auf den Fußboden vor den Schrank. Augenblicklich ertönte ein fürchterliches Krachen, Blitze zuckten; eine
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