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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie außer Atem?“
    „Ganz und gar nicht.“
    „Nun, wir haben allerdings auch keine Eile. Ehe man uns findet, muß man den Wald so studieren, wie ich ihn studiert habe.“
    Da hielt Brandt den Sprecher fest und sagte:
    „Hier meine Hand! Vor allen Dingen meinen Dank für das Wagnis, dem ich meine Freiheit verdanke!“
    „Schon gut, schon gut! Es ist nicht so sehr schlimm. Man wagt oft noch ganz andere Dinge! Der beste Dank ist der, daß Sie jetzt und in alle Ewigkeit verschweigen, wer es eigentlich ist, der Sie aus der Tinte geholt hat.“
    „Aber was hat Sie denn eigentlich veranlaßt, mich zu befreien?“
    Da nickte ihm der Schmied treuherzig ehrlich zu und antwortete:
    „Das will ich Ihnen sagen. Ihr Vater ist ein Ehrenmann, und Sie sind unschuldig. Das ist Grund genug!“
    „Woher wissen Sie denn, daß ich unschuldig bin?“ fragte Gustav, aufmerksam werdend.
    „Oh, das wissen wir ja alle! Nur eine Verkettung der unglückseligsten Umstände konnte Sie auf die Anklagebank bringen.“
    „Sie sind ein braver Mann! Woher aber wußten Sie, daß Sie mich auf dem Bahnhof treffen würden?“
    „Vom Sohne unseres Totengräbers, welcher Schließer ist.“
    „Ah, so haben Sie vielleicht auch erfahren, wohin man mich heut bringen wollte?“
    „Natürlich weiß ich das! Ins Zuchthaus sollte es gehen. Der König hat Sie aus eigenem Antrieb zu lebenslänglichem Kerker begnadigt.“
    „Mein Gott, was stand mir da bevor! Ich hätte mich getötet! Ich habe Ihnen nicht nur die Freiheit, sondern auch das Leben zu verdanken! Aber, Sie sprachen ja von einem Zweiten, welcher bei meiner Rettung mitgeholfen hat?“
    „Ja. Sie sollen ihn sehen. Kommen Sie!“
    Er verdoppelte seine Schritte, so daß Brandt ihm kaum zu folgen vermochte. Als sie bei der Eiche am Dachsberg ankamen, sahen sie den Sohn des Schmieds aus dem Busch gekrochen kommen. Er sowohl wie sein Vater legten ihre Umhüllungen ab, wuschen sich in einem nahen Wasser und legten dann ihre gewöhnliche Kleidung an.
    Natürlich gab es unterdessen ein Fragen und Erkundigen, Antworten und Erklären, welches kein Ende nehmen wollte. Dem machte der Schmied einen Beschluß durch die Frage:
    „Die Hauptsache ist, was gedenken Sie nun zu tun?“
    „Natürlich muß ich schleunigst außer Landes!“
    „Gut. Verkleidung haben wir mitgebracht, einen Paß auf den Namen meines Sohnes hier auch, und Geld – hm, es ist nicht viel, aber zweihundert Taler habe ich beisammen.“
    Da streckte Gustav ihm die Hände entgegen und sagte:
    „Ihr braven Leute! Wie soll ich euch danken! Ich weiß wahrhaftig nicht, wie ich zu solcher Freundschaft und zu solchen Opfern komme! Das erstere aber weise ich zurück. Für Geld wird mein Vater sorgen.“
    „Sie wollen zum Förster?“
    „Ja, natürlich!“
    „Heut? Sogleich?“
    „Ja. Und wenn es mein Leben gelten sollte, ich gehe nicht eher fort, als bis ich von den Eltern Abschied genommen habe.“
    „Dachte ich es mir doch! Wissen Sie auch, was Sie wagen?“
    „Ja. Sobald es ruchbar wird, daß ich entflohen bin, wird man telegraphieren, das Forsthaus zu bewachen. Aber ich werde es gar nicht betreten. Sie werden die Güte haben, Vater und Mutter heut abend an einen Ort zu bestellen, wo man mich nicht vermuten kann.“
    „Nein, das werde ich nicht“, meinte der Schmied.
    „Warum nicht? Wollen Sie Ihr Werk nicht krönen?“
    „Das ist gar nicht nötig. Wer wird denn Verstecken spielen, wenn man gar kein Versteck braucht? Sie werden frei und offen zu Ihren Eltern gehen, meinetwegen durch ein ganzes Heer von Gendarmen hindurch, und niemand soll Sie erkennen.“
    „Wird die Verkleidung so gut sein?“
    „Das will ich meinen. Gib einmal her.“
    Sein Sohn brachte ein Bündel aus den Büschen heraus. Es enthielt einen Anzug, welcher ganz vortrefflich für Gustav paßte. Eine hellblonde Perücke, ein eben solcher Schnurr- und Backenbart, Tusche, Schminke und Puder – kurz und gut, als der Schmied ihn eine halbe Stunde unter den Händen gehabt hatte, hielt er ihm einen kleinen Taschenspiegel vor und fragte:
    „Hier! Sehen Sie hinein! Kennen Sie den Kerl?“
    Gustav fuhr erstaunt zurück und antwortete:
    „Bei Gott, das bin ich nicht! Erstaunlich! Sie leisten mehr als der beste Friseur der Residenz!“
    „Muß ich auch“, lachte der Schmied.
    „Müssen? Wieso?“
    „Hm! Man hat es zuweilen nötig, seinem äußeren Menschen einen anderen Anstrich zu geben.“
    „Wolf, Wolf! Wie es scheint, ist es wahr, was man von Ihnen

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