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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich verpflichten, Herr Doktor!“
    Da trat die Kellnerin herein, um den ersten Gang aufzutragen. Das Essen begann. Man merkte, daß die Arme lange Zeit, vielleicht bereits seit mehreren Tagen nichts genossen hatte; aber sie aß mit einer wahrhaft rührenden Langsamkeit und Genügsamkeit. Sie verzehrte nur einen sehr kleinen Teil dessen, was ihr vorgelegt wurde.
    Nach dem letzten Gang zog sich die Kellnerin zurück. Sie kannte die Verhältnisse nicht und warf beim Hinausgehen einen stolzen, verächtlichen Blick auf das irregeleitete Mädchen.
    „Wie bin ich satt, so satt, wie fast seit Monaten nicht!“ sagte die Tochter des Wachtmeisters. „Aber Ihre Frau Gemahlin kommt noch immer nicht!“
    „Sie wird uns nicht mehr lange warten lassen“, antwortete er. „Machen wir es uns bis dahin möglichst bequem.“
    Er erhob sich von seinem Stuhl und ließ sich ohne Umstände auf dem Sofa neben ihr nieder. Über ihr Gesicht zuckte es wie ein tiefer Schreck bei dieser unerwarteten Annäherung.
    „Nein, nein; so nicht!“ sagte sie. „Ihre Frau Gemahlin darf uns doch nicht so erblicken. Erlauben Sie, daß ich mich auf den Stuhl setze.“
    Sie wollte aufstehen; er aber ergriff ihre Hand, so daß sie ihre Absicht nicht auszuführen vermochte.
    „Bleiben Sie; bleiben Sie getrost!“ sagte er. „Meine Frau wird uns nicht überraschen. Ahnen Sie denn wirklich noch immer nicht, daß ich gar nicht verheiratet bin?“
    Sie erbleichte und entriß ihm ihre Hand.
    „Nicht – nicht verheiratet?“ fragte sie. „Sie haben mir also die Unwahrheit gesagt? Sie habe mich belogen!“
    „Und ahnen Sie noch immer nicht“, fuhr er lachend fort, „daß ich hier gar nicht wohne? Wir haben in der Restauration gespeist!“
    Da stand sie auf und sagte in ernstem, vibrierendem Ton:
    „Mein Herr, es ist unwürdig von Ihnen, mit dem Unglück ein solches Spiel zu treiben! Ich werde Sie augenblicklich verlassen!“
    „Nein! Nicht so schnell, mein Liebchen!“ sagte er, den Arm um sie legend, und sie trotz ihres Sträubens zu sich niederziehend. „Erst erwarte ich den Ausdruck der Dankbarkeit, von welcher Sie sprachen.“
    Er wollte sie küssen. Sie wehrte sich aus allen Kräften.
    „Lassen Sie mich!“ gebot sie ihm. „Ich werde um Hilfe rufen!“
    „Rufe nur, Liebchen, rufe! Ich werde dir den Mund mit meinen Küssen verschließen. Komm, Herzchen! So! Jetzt! – Ah! Oh!“
    Er hatte die aus allen Kräften Widerstrebende an sich gezogen. Beide bemerkten nicht, daß die Seitentür leise geöffnet wurde. Eben, als er seinen Mund dem ihrigen näherte, war er gezwungen, die beiden letzten, schmerzhaften Rufe auszustoßen. Der Fürst von Befour war hereingetreten, hatte ihn mit der linken Hand bei der Kehle gepackt und ihm mit der Rechten einen solchen Hieb in das Auge versetzt, daß er das Mädchen losließ.
    „Himmeldonnerwetter!“ brüllte er auf, indem er mit beiden Händen nach dem Auge fuhr. „Wer wagt es, hier einzutreten und – ah, Kerl, hier die Antwort!“
    Er hatte den Fürsten erblickt und holte aus, demselben einen Jagdhieb zu versetzen. Der Fürst aber war schneller als er und schlug ihm die Faust zum zweiten Male in der Weise an den Kopf, daß er zu Boden stürzte.
    „Gott, mein Gott, welch ein Unglück!“ rief das Mädchen. „Ich aber bin schuldlos; ich kann nichts dafür!“
    „Das weiß ich sehr genau, mein Fräulein“, sagte der Fürst. „Beruhigen Sie sich! Ich weiß, daß dieser Mensch Sie durch Lügen verlockte, ihm an diesen Ort zu folgen. Verlassen wir ihn augenblicklich. Er hat die Besinnung verloren. Kommen Sie!“
    Er ergriff sie mit der einen Hand, nahm ihr Tuch und ihren Korb in die andere und zog sie hinaus und zur Treppe hinab. Unten führte er sie in die Küche.
    „Füllen Sie diesen Korb mit Brot, Butter, Fleisch und Wein!“ gebot er.
    Er griff selbst mit zu. Sie stand da, als ob sie nicht begreifen könne, was hier geschah. Er zog Geld aus der Tasche und bezahlte, ohne sich zurückgeben zu lassen; dann bat er sie:
    „Bitte, vertrauen Sie sich jetzt mir an. Ich werde Sie nach Hause begleiten!“
    Er nahm ihren Arm in den seinigen, ergriff den Korb und führte sie fort. Sie folgte ihm wie im Traum. Sie war einer großen Gefahr entronnen. Sie dachte gar nicht daran, ihm den schweren Korb abzunehmen. So kamen sie zur Wasserstraße.
    „In welcher Nummer wohnen Sie?“ fragte er.
    „Nummer Zehn, mein Herr. Hinterhaus parterre.“
    Die Tür stand noch offen. Sie traten ein, passierten dann einen Hof

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