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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich dieselbe?“
    „Droben im Zimmer Nummer drei.“
    „Also in Ihren Räumlichkeiten?“
    „Ja. Er hat für sich und die Dame ein Souper bestellt.“
    Da griff der Fürst in die Tasche, zog ein Goldstück hervor, gab es dem sich fast bis zur Erde verneigenden Kellner und fragte:
    „Ist Ihnen dieser Herr bekannt?“
    „Er trinkt oft ein Glas Wein in demselben Zimmer. Seinen Namen kenne ich nicht.“
    „Ist es möglich, zu hören, was er mit der Dame spricht?“
    „Gewiß, mein Herr. Wünschen Sie ihn vielleicht gar zu überraschen?“
    „Unter Umständen, ja.“
    „So kommen Sie! Aber bitte, leise!“
    Er führte ihn aufwärts nach dem Zimmer Nummer zwei, öffnete dasselbe und flüsterte dann:
    „Treten Sie ein, und schließen Sie von innen zu. Er könnte nachsehen wollen, ob jemand sich hier befindet. Die Nebentür führt in sein Kabinett. Sie ist nur von dieser Seite zu öffnen. Sie können also bei ihm eintreten, sobald es Ihnen beliebt.“
    Er ging, und der Fürst schloß sich wirklich ein. Dann begab er sich leisen Schrittes ah die Verbindungstür. Diese war nicht mittels Schlüssel, sondern nur durch einen Riegel verschlossen, konnte also sehr leicht geöffnet werden.
    Mittlerweile hatte der Baron am Tisch Platz genommen und das Mädchen veranlaßt, sich auf das Sofa zu setzen, welches gleichfalls an demselben stand. Sie fühlte sich beunruhigt von der nicht gerade häuslichen Ausstattung des Kabinetts.
    „Wissen Sie, mein Herr, daß ich mich in Ihrer Hand befinde?“ fragte sie ihn.
    „Was wollen Sie damit sagen, Fräulein?“
    „Daß Sie sehr, sehr gütig gegen mich sind, daß ich Ihnen aber auch ein sehr großes Vertrauen schenke!“
    „Daran tun Sie sehr recht! Man darf eine entgegengebrachte Freundlichkeit nicht mit Mißtrauen, also mit Undank belohnen. Ah, da kommt zunächst der Wein!“
    Eine Kellnerin brachte eine Flasche mit zwei Gläsern und begann, das Service aufzulegen. Als sie sich entfernt hatte, entpfropfte der Baron die Flasche und schenkte ein.
    „So, mein Fräulein“, sagte er. „Dieses Gläschen wird Ihnen auf die Kälte, welche Sie erlitten haben, wohltun. Trinken Sie! Trinken Sie nur aus!“
    Sie hatte das Tuch, in welches sie gehüllt gewesen war, abgelegt, so daß er ihre Gestalt nun zu beurteilen vermochte.
    Ihr Kleid war zwar sauber, aber alt und abgetragen; es machte einen ärmlichen Eindruck. Ihr lichtes Haar lag in einem schlichten Scheitel eng an den Schläfen; aber geradeso trat die zarte, feine Rundung ihres Profils um so deutlicher hervor. Ihre blauen Augen waren krank; das mußte man erkennen; der Blick war matt und glanzlos, aber unendlich rührend und Mitgefühl erweckend. Ihr nicht zu voller Mund besaß eine schöne Zeichnung, doch hatte er an beiden Winkeln jenes Fältchen, welches der Ernst des Lebens einzugraben pflegte. Der Hals zeigte, soweit er sichtbar war, die schimmernde Weiße des Alabasters, und die Taille des Kleides legte sich eng um zwei Schultern und eine Büste, welche zwar nicht allzu voll, aber auch nicht hager genannt werden konnte. Die Hände waren fein und schmal; aber sie zeigten jene Relieflinien, welche eine Folge von Arbeit und körperlicher Entbehrung sind.
    Dieses arme, bedauernswerte Wesen machte den Eindruck, als ob es sich unter glücklicheren Verhältnissen zu einer blühenden Schönheit hätte entfalten können.
    Die unverschuldete und mit Ergebung getragene Armut besitzt eine Würde, eine Heiligkeit, an welcher sich der Mann von Bildung und Gefühl niemals zu versündigen vermag. Der Baron aber fühlte sich mit seiner Eroberung sehr zufrieden. Es war einmal eine Abwechslung, geradeso, wie der routinierte Sekttrinker auch einmal ein Gläschen Rum oder Arak zu genießen beliebt.
    Sie hatte von dem Wein genippt.
    „Wie gut das ist“, sagte sie. „Es ist, als ob ein neues Leben durch den Körper gehe. Sie haben das Richtige getroffen. Man merkt, daß Sie ein Arzt sind.“
    „Darum müssen Sie meinen Verordnungen streng Folge leisten. Trinken Sie aus!“
    Er wußte, daß Sie mit einem einzigen Glas einen Rausch bekommen müsse. Diesen Rausch aber mußte sie sich antrinken, um ihm keinen Widerstand zu leisten. Sie war aber vorsichtig und antwortete:
    „Erlauben Sie mir, diese Delikatesse recht langsam und behaglich zu genießen! Gott, wenn Vater an meiner Stelle sitzen und von diesem Wein trinken könnte!“
    „Er wird nachher eine ganze Flasche von demselben erhalten.“
    „Wie gut Sie sind! Und zu welcher Dankbarkeit Sie

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