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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein lustiges Feuer in dem Ofen, in dessen Nähe sich der Geistesschwache sofort niederkrümmte, um mit ausdruckslosen Augen in die Flamme zu starren.
    „Aber, Herr, wer sind Sie denn eigentlich?“ fragte endlich der Wachtmeister.
    „Der Name ist jetzt nicht nötig. Später, wenn es sein muß, werde ich ihn nennen.“
    „Das ist ja gerade, als ob der Fürst des Elends bei uns bescherte!“
    „Wer ist das?“ fragte der Fürst.
    „Wer das ist? Wissen Sie das noch nicht?“
    „Ich bin ein Fremder hier.“
    „Ach so! Nun wissen Sie: Seit längerer Zeit gibt es hier einen Teufel und einen Engel. Der Teufel ist der geheimnisvolle Hauptmann, dessen Bande sich vor keiner verbrecherischen Tat scheut, und der Engel ist der Fürst des Elends. So hat man ihn genannt. Wer er ist, das weiß man nicht, aber bereits seit mehreren Monaten erzählt man sich von Wohltaten, welche an Armen und Elenden geschehen, ohne daß man erfährt, woher sie kommen. Man hat den unbekannten Wohltäter den Fürsten des Elends genannt.“
    Der Fürst lächelte leise und glücklich vor sich hin.
    „Haben Sie auch bereits Wohltaten von ihm empfangen?“ fragte er.
    „Nein. Aber wenn er unser Elend kennen würde, so bin ich gewiß, daß wir seine Hilfe erwarten dürfen.“
    „Nun, so denken Sie, daß diese kleine Gabe von ihm kommt!“
    „Nein; sie kommt von Ihnen!“
    „Das ist nicht so ganz und gar gewiß. Wie denn nun, wenn ich ein Bote vom Fürsten des Elends wäre?“
    „Ein Bote von ihm? Gott, welch ein Glück! Dann würde er auch weiterhin an uns denken.“
    „Ja, das wird er ganz gewiß!“
    Der Alte humpelte näher, legte dem Fürsten die Hand auf den Arm und fragte, indem auch seine Tochter gespannt herzutrat:
    „Ist das wahr? Kennt er uns?“
    „Ja. Er weiß, daß Sie ein braver Beamter waren, der unverschuldet in das Elend geriet. Der Staat hat Ihre Dienste vergessen, aber der Fürst des Elends macht diesen Fehler wieder gut. Er hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß Sie von heute an eine jährliche Pension aus seiner Kasse erhalten sollen.“
    „Eine Pension! Unmöglich! Wie käme ich zu diesem Glück! Herrgott, eine Pension! Dieses Glück wäre so groß, so unbegreiflich, daß ich es gar nicht zu fassen vermöchte!“
    „Und doch können Sie es fassen. Hier greifen Sie zu!“
    Er zog seine Börse und zählte eine Anzahl Goldstücke auf den Tisch.
    „Was ist das? Was soll das viele Geld?“ fragte der einstige Wachtmeister, indem seine Augen auf die blanken, funkelnden Dukaten hernieder glänzten.
    „Ihre Pension!“
    „Meine Pension?“
    Er fuhr sich mit der Hand nach dem Kopf.
    „Das ist ein Traum! Das ist keine Wahrheit! Seit wann habe ich kein Geld gesehen! Und nun gar Gold! Sosehr viel Gold!“
    „Nehmen Sie es in Gottes Namen! Es gehört Ihnen. Sie erhalten vom Fürsten des Elends eine jährliche Pension von dreihundert Talern. Hier liegt die erste Jahresrate. Was darüber ist, das soll für die Betten und Möbel und für ein besseres Logis, auch für den Arzt sein, damit das Fräulein gesunde Augen bekomme.“
    Da stieß das Mädchen einen lauten Schrei aus. Sie stürzte unter Tränen auf ihn zu und warf förmlich die Arme um ihn.
    „Mein Retter! Mein Wohltäter! Unser Engel!“ schluchzte sie.
    Der Alte konnte sich ebensowenig halten. Er ergriff beide Hände des Fürsten und sagte:
    „Herr, wer Sie auch sein mögen, Sie sind ein Engel, den uns Gott gesandt hat. Er mag es Ihnen vergelten, wir können es nicht.“
    Der Irrsinnige hatte dem Vorgange zugesehen, ohne ihn begreifen zu können. Jetzt aber belebten sich auch seine Augen. Das Verständnis schien ihm zu kommen. Er rollte sich vom Boden auf, trat herzu, streichelte dem Fürsten mit der behaarten Hand über das Gesicht und murmelte in einem Ton, welcher seine höchste Zärtlichkeit ausdrücken sollte, aber wie das Grunzen eines Yaks erklang:
    „Gut, sehr gut du! Mein Vater du! Mein Bruder du! Ich totschlagen alle Feinde von dir! Ich mir merken dich!“
    Welcher Dank der ergreifendste war, derjenige des Vaters, der Tochter oder des Schwachsinnigen, das konnte der Fürst natürlich nicht unterscheiden und bestimmen. Er riß sich los und sagte:
    „Nicht mir gebührt der Dank, ihr Leute. Der Fürst des Elends hat mich geschickt, um den Fehler gut zu machen, den das Schicksal an euch begangen hat. Er wird an euch denken und auch weiter für euch sorgen. Denkt auch ihr seiner freundlich! Und wenn ihr betet, so betet auch mit für ihn!“
    Bei diesen

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