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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Straße ab und kam nach Norden fahrend auf ihn zu. Helle Scheinwerfer, leuchtend blaues Blinklicht, dunkelrotes Blinklicht, grelles weißes Blinklicht, das sich in seine Netzhaut brannte. Reacher blieb breitbeinig stehen, hob die Arme und winkte. Gab das universelle Notsignal. Große, einander überlappende Halbkreise mit beiden Händen.
    Der Streifenwagen bremste.
    Reacher trat im letzten Augenblick beiseite, und der Wagen kam rutschend neben ihm zum Stehen. Das linke Fenster wurde heruntergefahren. Am Steuer saß eine Frau in Uniform. Sie wirkte blass und verschlafen. Ihr Haar war nur unordentlich gekämmt. Ihre Augen sahen gerötet aus. Er kannte sie nicht.
    Er sagte: »Ich muss dringend zu Mrs. Salter.« Die Worte kamen undeutlich heraus. Seine Lippen waren gefühllos. Sein Gesicht schien ein einziger Eisblock zu sein. Das Kiefergelenk funktionierte kaum noch.
    Die Polizistin fragte: »Was?«
    »Sie müssen mich mitnehmen.«
    »Wohin?«
    »Zu Janet Salters Haus.«
    Fünf Meilen entfernt heulte die Gefängnissirene noch immer. Aus dem Funkgerät des Streifenwagens kam eine Stimme. Ein Dispatcher, der leise und schnell sprach und sich bemühte, nicht nervös zu wirken. Vermutlich der Alte am Empfang der Polizeistation. Die Frau am Steuer roch nach Alkohol. Vielleicht von Bourbon. Ein Absacker. Vielleicht auch zwei oder drei.
    Sie fragte: »Wer, zum Teufel, sind Sie?«
    Reacher antwortete: »Ich arbeite mit Holland und Peterson zusammen.«
    »Peterson ist tot.«
    »Das weiß ich.«
    »Sind Sie der Militärpolizist?«
    »Ja. Und Sie müssen mich mitnehmen.«
    Sie entgegnete: »Das kann ich nicht.«
    »Wieso sind Sie dann zu mir abgebogen?«
    »Weil ich musste. Ich bin zu meiner Position unterwegs.«
    »Das Gefängnis liegt nicht in dieser Richtung.«
    »Wir bilden einen Kordon mit einer Meile Durchmesser. Ich habe die Nordostecke. Diese Straße führt dorthin.«
    »Was ist passiert?«
    »Der Biker ist geflüchtet. Seine Zelle ist leer.«
    »Nein«, sagte Reacher.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Das ist unmöglich. Der Ausbruch ist getürkt. Ein Ablenkungsmanöver.«
    »Er ist entweder da oder nicht, Kumpel. Und sie sagen, dass er weg ist.«
    »Er hält sich irgendwo versteckt. In einem Besenschrank oder sonst wo. Er will nicht wirklich flüchten.«
    »Bockmist.«
    »Ich weiß, wovon ich rede. Jeder Ausbrecher steht vor zwei Problemen: Er muss rauskommen, und er muss die Großfahndung überstehen. Die Cleveren verstecken sich erst mal. Drinnen. Bis die Fahndung sich totläuft. Dann hauen sie ab. Aber dieser Kerl will nirgends hin. Er tut nur so, als Ablenkungsmanöver.«
    Die Frau schwieg.
    »Denken Sie darüber nach«, sagte Reacher. »Ein Ausbruch ist schwieriger, als er aussieht. Ich verspreche Ihnen, dass er morgen noch da ist. Morgen wird er hungrig und kommt aus seinem Versteck. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Weil’s inzwischen zu spät ist.«
    »Sie sind verrückt.«
    »Er ist noch dort. Glauben Sie mir. Riskieren Sie’s. Seien Sie die einzig Vernünftige.«
    »Sie sind verrückt.«
    »Okay, nehmen wir mal an, der Kerl wäre getürmt. Dann wäre er seit über fünf Stunden unterwegs. Das wissen Sie. Was, zum Teufel, soll da ein Kordon mit einer Meile Durchmesser nützen?«
    Die Polizistin antwortete nicht.
    Die Sirene heulte weiter.
    »Fünf Minuten«, sagte Reacher. »Bitte. Mehr brauche ich nicht von Ihnen.«
    Die Frau gab keine Antwort. Drückte nur auf die Fenstertaste und gab Gas. Ihre Scheibe fuhr nach oben, und der Streifenwagen setzte sich in Bewegung. Reacher beugte sich nach vorn, als er beschleunigte. Das Wagenheck streifte seine Hüfte, warf ihn herum und ließ ihn auf den Rücken knallen. Er lag außer Atem in Schnee und Eis, verfolgte, wie der große Lichtfleck in der Ferne verschwand.
    Ich weiß, was ich zu tun habe, hatte Janet Salter gesagt.
    Reacher rappelte sich auf und schlitterte zur Einmündung der Straße weiter. Als er sie erreichte, verstummte die Sirene. Ihr Heulen brach mitten im Ton ab, und nächtliche Stille sank wieder herab. Nur das dumpfe Poltern seiner Schritte war auf den Eisplatten und dem festgefahrenen Schnee zu hören. Der Wind blies weiter aus Westen, wehte ihm ins Gesicht, bombardierte es mit Eiskristallen. Reacher sah sich um. Er hatte erst hundertfünfzig Meter geschafft. Vor ihm lagen etwa drei Kilometer. Auf der Straße keine Menschenseele. Er war völlig allein. Er fror.
    Ihm war sehr kalt.
    Er bewegte sich halb rennend in der Fahrspur und rutschte bei fast

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