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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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nur heraussickernde Flüssigkeit. Ein Leck.
    Er starrte sie jedes Mal so lange an, wie er es aushalten konnte, und blickte dann wieder zu Boden.
    Ich mag keine Niederlagen, hatte er gesagt. Für alle Beteiligten wär’s am besten, wenn’s nicht dazu käme.
    Beschützen und dienen.
    Niemals außer Dienst.
    Er war ein Betrüger und ein Hochstapler und ein Versager.
    Das war er schon immer gewesen.
    Reacher blieb auf dem Stuhl sitzen. Niemand kam. Um ihn herum summte das Haus weiter. Es wusste von nichts. Es machte weiter ahnungslos seine Geräusche. In den Heizungsrohren gluckerte Wasser, ein Schiebefenster ratterte in seinem Rahmen, die eingetretene Küchentür knarrte, wenn sie sich im Wind bewegte. Draußen raschelten immergrüne Pflanzen, und der ganze gefrorene Planet zitterte und ächzte leise.
    Er nahm den Hörer ab, wählte die Nummer, die er noch auswendig kannte.
    Sie haben das Amt für Arbeitsstatistik erreicht. Wissen Sie die Nummer Ihres Gesprächspartners, können Sie direkt durchwählen.
    Er wählte 110.
    Ein Klirren. Ein Surren.
    »Ja?«
    Reacher sagte: »Susan, bitte.«
    »Wen?«
    »Amanda.«
    Ein Klicken. Ein Surren.
    Susan fragte: »Reacher?«
    Er gab keine Antwort.
    »Reacher? Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Er sagte nichts.
    Sie sagte: »Reden Sie mit mir. Oder legen Sie auf.«
    Er fragte: »Sind Sie jemals hungrig gewesen?«
    »Hungrig? Natürlich. Manchmal.«
    »Ich hab mal ein halbes Jahr lang gehungert. Am Persischen Golf. Desert Shield und Desert Storm. Als wir Saddam aus Kuwait vertreiben mussten. Wir waren von Anfang an dort. Wir sind bis zuletzt geblieben. Und wir hatten ständig Hunger. Es gab nichts zu essen. Außer für meine Einheit auch nicht für andere Truppenteile in der Etappe. Aber wir haben uns damit abgefunden. Bei einem so großen Unternehmen musste man mit Pannen rechnen. Die Versorgungswege stellten immer ein Problem dar. Wichtiger war, dass die kämpfende Truppe genug bekam. Also haben wir uns nicht großartig beschwert. Aber das war kein Spaß. Ich bin abgemagert. Ich fühlte mich ganz elend. Dann bin ich nach Haus gekommen, habe mir den Bauch vollgeschlagen und das Ganze vergessen.«
    »Und dann?«
    »Und dann sind wir Jahre später mit diesem russischen Zug gefahren, in dem es amerikanische Einmannpackungen gab. Das hat mich neugierig gemacht. Nach meiner Rückkehr habe ich mir vorgenommen, das aufzuklären. Sozusagen als Hobby. Eines hat sich aus dem anderen ergeben, und ich habe den Weg zurückverfolgt. Dabei hat sich gezeigt, dass der Kommandeur einer Nachschubeinheit seit zehn Jahren unsere Verpflegung verkauft hat. Ein bisschen hier, ein bisschen dort, weltweit. Afrika, Russland, Indien, China, wer immer diesen Scheiß wollte. Er war dabei ziemlich vorsichtig. Keiner hat etwas gemerkt, weil die Vorräte riesig waren. Aber der Golfkrieg hat ihn überrascht. Es gab plötzlich gewaltigen Bedarf, aber die Vorräte waren verschwunden. Auf dem Papier hat er sie uns geliefert, aber wir haben in der Wüste gehungert.«
    »Der General?«
    »Erst zum Schluss. Die meiste Zeit war er Oberst. Nicht sehr clever, aber gerissen und vorsichtig. Er hat seine Spuren verwischt. Aber ich konnte einfach nicht lockerlassen. Für mich war das eine Privatfehde. Seinetwegen mussten meine Leute hungern. Ich hatte Zugang zu seinen Bankkonten und allem anderen. Wissen Sie, wofür er das Geld ausgegeben hat?«
    »Wofür?«
    »Für nichts Besonderes. Das meiste hat er für seinen Ruhestand zurückgelegt. Und er hat sich eine 1980er Corvette gekauft, weil er die für einen Klassiker, für ein Sammlerstück hielt. Aber die 1980er Corvette war die schlechteste jemals gebaute Corvette, ein Stück Scheiße. Der 7,4-Liter-Motor wurde wegen der Abgaswerte durch einen 5,7-Liter-Motor mit hundertachtzig Pferdestärken ersetzt. Ich war schneller als eine 1980er Corvette. Dieser Kauf hat mir den Rest gegeben. Ich meine, wegen eines brillanten Verbrechers gehungert zu haben wäre eine Sache gewesen, aber wegen eines völligen Idioten war etwas ganz anderes. Wegen eines stillosen, dreckigen, erbärmlichen kleinen Idioten.«
    »Also haben Sie ihn vorgeladen.«
    »Ich habe Beweise gesammelt, als gälte es, Ethel Rosenberg zu überführen. Ich habe alles doppelt und dreifach kontrolliert. Damit hätte ich vor den Obersten Gerichtshof gehen können. Dann habe ich ihn vorgeladen und ihm erklärt, ich sei wütend. Er hat im Dienstanzug mit all seinen Streber-Orden vor mir gestanden und gegrinst. Ein gönnerhaftes

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