61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
sich, aber die Leute mögen sie nicht.«
Reacher erklärte: »Der Ermordete war einer von ihnen.«
Peterson sagte: »Offenbar.«
»Vielleicht sind sie auf der Suche nach ihrem Kumpel.«
»Oder nach dem Täter.« Peterson behielt die Szene im Blick und wartete. Zehn Meter vor ihnen ging das Körperspracheballett weiter. Chief Holland zitterte. Vor Kälte oder vor Angst.
Oder vor beidem.
Reacher sagte: »Sie sollten etwas unternehmen.«
Peterson unternahm nichts.
Reacher sagte: »Interessante Strategie. Sie wollen warten, bis sie erfroren sind.«
Peterson schwieg.
Reacher sagte: »Das Problem ist nur, dass Holland zuerst erfrieren wird.«
Peterson sagte nichts.
»Wenn Sie wollen, komme ich mit.«
»Sie sind ein Zivilist.«
»Nur auf dem Papier.«
»Sie sind nicht richtig angezogen. Draußen ist’s kalt.«
»Wie lange kann die Sache dauern?«
»Sie sind unbewaffnet.«
»Gegen solche Kerle brauche ich keine Waffe.«
»Mit kristallinem Meth ist nicht zu spaßen. Keine Hemmungen.«
»Gleiche Voraussetzungen für beide Seiten.«
»User spüren keinen Schmerz.«
»Sie brauchen keinen zu spüren, nur ob sie wach oder bewusstlos sind.«
Peterson schwieg.
Reacher erklärte: »Sie gehen nach links, ich nach rechts. Ich sorge dafür, dass sie sich mir zuwenden, damit Sie hinter ihnen sind.«
Zehn Meter vor ihnen sagte Holland etwas, und die beiden Kerle bedrängten ihn. Der Chief wich zurück, stolperte und setzte sich schwer in den aufgetürmten Schnee. Jetzt war seine Pistole endgültig außer Reichweite.
Halb elf Uhr nachts.
Reacher sagte: »Wir müssen los.«
Peterson nickte. Öffnete seine Tür.
»Fassen Sie sie nicht an«, sagte er. »Fangen Sie nichts an. Vorerst haben sie sich nichts zuschulden kommen lassen.«
»Obwohl Holland auf dem Arsch sitzt?«
»Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. So steht’s im Gesetz. Das ist mein Ernst. Fassen Sie sie nicht an.« Peterson stieg aus. Blieb einen Augenblick hinter der offenen Tür stehen und setzte sich dann in Bewegung. Reacher folgte ihm auf seiner Seite.
Die beiden Kerle sahen sie kommen.
Reacher ging nach rechts, Peterson nach links. In dem Streifenwagen hatte es behagliche einundzwanzig Grad gehabt. Die Nachtluft war vierzig oder mehr Grad kälter. Reacher machte den Reißverschluss seiner Jacke ganz zu, vergrub die Hände in den Taschen und zog die Schultern hoch, sodass der Jackenkragen sein Genick bedeckte. Trotzdem begann er nach fünf Schritten zu zittern. Die Luft schien tiefgekühlt zu sein. Die beiden Männer traten zurück, von Holland weg. Der Chief rappelte sich auf. Peterson stellte sich neben ihn. Seine Pistole steckte noch im Halfter. Reacher ging über die rutschige Schneedecke weiter und blieb zwei Meter hinter den beiden Kerlen stehen. Holland grub im Schnee herum und hob seine Dienstwaffe auf. Er wischte sie ab, überzeugte sich davon, dass kein Schnee im Lauf war, steckte sie wieder ins Halfter.
Niemand bewegte sich.
Die glatte Schneedecke auf der Straße bestand teils aus Pulverschnee, teils aus Eiskristallen, die im Mondschein glitzerten. Peterson und Holland starrten die beiden Typen an, und obwohl Reacher hinter ihnen stand, war er sich ziemlich sicher, dass die beiden Kerle frech zurückstarrten. Er zitterte stark, seine Zähne begannen zu klappern, und sein Atem bildete Dampfwolken.
Niemand sprach.
Der Kerl rechts vor Reacher war über einen Meter achtzig groß und fast eineinviertel Meter breit. Ein Teil seiner Masse stammte von der Daunenfüllung des schwarzen Winterparkas, aber das meiste war Fleisch und Knochen. Der Kerl links vor Reacher wirkte in Höhe und Breite etwas kleiner, dafür jedoch aktiver. Er war nervös, trat von einem Bein aufs andere, bewegte den Ober körper, rollte mit den Schultern. Auch er fror bestimmt, doch er zitterte nicht. Reacher vermutete, dieses Zucken komme von Chemie, nicht von eiskalter Nachtluft.
Niemand sprach.
Reacher sagte: »Jungs, ihr müsst verschwinden, oder einer von euch muss mir seine Jacke leihen.«
Die beiden Männer drehten sich langsam um. Der große Kerl rechts hatte ein breites weißes Gesicht, das fast unter seinem Bart verschwand. Der Vollbart war wie bei einem Bergsteiger oder Polarforscher voller Reif. Der kleinere Typ links hatte einen Zweitagebart und einen unsteten Blick. Sein Mund öffnete und schloss sich wie der eines Goldfischs, der an der Wasseroberfläche nach Beute schnappt. Schmale, bewegliche Lippen, schlechte Zähne.
Der große Mann
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