61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
helfen. Wollen wir den kommenden Monat überstehen, brauchen wir diese Informationen.«
»Ich bin zu lange raus aus dem Geschäft. Dort sind jetzt ganz neue Leute am Ruder. Die legen auf, wenn ich anrufe.«
»Sie könnten’s versuchen.«
»Die Vermittlung würde mich abwimmeln.«
»Als ich hier angefangen habe, hatten wir eine spezielle Notrufnummer fürs FBI in Pierre. Das System ist vor Jahren geändert worden, aber ich weiß sie noch immer auswendig.«
»Und?«
»Ich vermute, dass es eine Nummer gibt, an die Sie sich erinnern. Eine Nummer für direkte Durchwahl.«
Reacher schwieg.
Peterson sagte: »Rufen Sie ein paar Leute für uns an. Mehr brauchen Sie nicht zu tun. Wir erledigen den Rest, und Sie können Ihre Reise fortsetzen.«
Reacher schwieg.
»Wir können Ihnen einen Schreibtisch und einen Stuhl anbieten.«
»Wo?«
»In der Polizeistation. Morgen.«
»Ich soll Sie zum Dienst begleiten? In die Polizeistation? Sie trauen mir wohl immer noch nicht so recht, was?«
»Sie sind in meinem Haus, in dem meine Frau und meine Kinder schlafen.«
Reacher nickte.
»Das stimmt natürlich«, sagte er.
Aber Kim Peterson schlief nicht. Nicht in diesem Augenblick. Zehn Minuten nachdem Andrew Peterson ihm eine gute Nacht gewünscht hatte, begann Reacher der schale Biergeruch aus den leeren Flaschen zu stören. Also trug er sie in die Küche, in der er einen Mülleimer vermutete. Stattdessen fand er Kim Peterson, die ihren Kühlschrank aufräumte. Die Küche war dunkel, aber die Lampe im Kühlschrank brannte sehr hell. Mrs. Peterson war in gelbliches Licht getaucht. Sie trug einen alten Frotteebademantel. Ihr zuvor aufgestecktes Haar fiel ihr auf die Schultern. Reacher hielt die vier Flaschen hoch – eine stumme Frage.
»Unter dem Ausguss«, erklärte Kim Peterson.
Reacher bückte sich und öffnete die Schranktür. Stellte seine Flaschen neben die sechs dort schon aufgereihten.
»Sie haben alles, was Sie brauchen?«, fragte sie ihn.
»Ja, danke.«
»Hat Andrew Sie um etwas gebeten?«
»Er möchte, dass ich ein paar Leute anrufe.«
»Wegen des Militärlagers?«
Reacher nickte.
»Werden Sie’s tun?«
»Ich will’s versuchen.«
»Gut.
»Ich werde mein Bestes tun.«
»Versprochen?«
»Ma’am?«
»Versprechen Sie mir, ihm nach Kräften zu helfen, wenn er Sie darum bittet? Er arbeitet zu viel. Er ist jetzt für alles zuständig. Chief Holland ist überfordert. Ich wette, dass er kaum die Hälfte seiner Leute richtig kennt. Andrew muss die ganze Arbeit machen.«
Neben dem Hobbyraum lag ein winziges Bad, in dem Reacher eine lange heiße Dusche nahm. Dann legte er seine Sachen ordentlich über die Lehne von Petersons Sessel und kroch ins Bett. Die Sprungfedern ächzten und knarrten unter seinem Gewicht. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere, horchte auf das laute Ticken des Weckers und war eine Minute später eingeschlafen.
0.55 Uhr.
Noch einundfünfzig Stunden.
10
Als Reacher um zehn vor sieben aufwachte, umgab ihn Grabesstille. Vor den Fenstern des kleinen Zimmers herrschte dichtes Schneetreiben. Weiche große Flocken fielen lautlos auf eine Neuschneedecke, die schon fast dreißig Zentimeter hoch war. Draußen war es windstill. All diese Milliarden Flocken kamen senkrecht herabgeschwebt, wichen manchmal leicht von der geraden Linie ab, beschrieben hin und wieder kleine Spiralen und wurden durch nichts abgelenkt als die eigene federleichte Labilität. Die meisten fügten ihr winziges Gewicht der weißen Decke hinzu, auf der sie landeten, doch manche hafteten an den fantastisch gefiederten Formen von Strommasten und Stacheldrahtzäunen und ließen sie größer erscheinen.
Das Bett war warm, der Raum jedoch kühl. Reacher vermutete, dass die Luftzufuhr des großen Ofens für die Nacht heruntergeregelt worden war, damit die Glut sich bis zum Morgen hielt. Er fragte sich, wie man sich als Gast in diesem Fall richtig verhielt. Sollte er aufstehen, die Luftklappe öffnen und frisches Holz nachlegen? Wäre das hilfreich? Oder wäre es anmaßend? Würde es vielleicht einen lange ausgetüftelten Verbrennungsplan durcheinanderbringen?
Letzten Endes tat Reacher nichts. Hielt nur die Bettdecke bis unters Kinn hochgezogen und die Augen geschlossen.
6.55 Uhr morgens.
Noch fünfundvierzig Stunden.
Zweitausendsiebenhundert Kilometer weiter südlich war der Tag schon eine Stunde älter. Plato nahm sein Frühstück auf der kleineren seiner beiden Terrassen ein. Die größere war für offizielle
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