61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
in dem Steingebäude nur ein Treppenhaus, das nach unten in ein Labyrinth führt. Ihr Labor könnte dort sein. Was das Fehlen von Bränden und Explosionen in den Wohnwagen erklären würde. Vielleicht haben sie die Anlage in eine Festung verwandelt. Sie könnten dort unten Wasser, Lebensmittel und Waffen bunkern. Die ganze Sache könnte auf eine Belagerung hinauslaufen. Aber das wollen wir nicht.«
Peterson stemmte sich hoch, trat an den Schreibtisch und nahm zwei weitere Flaschen aus dem Kühlschrank. Das zeigte Reacher, dass ihr Gespräch noch nicht zu Ende war.
Peterson sagte: »Das ist noch nicht alles.«
»Tatsächlich?«, fragte Reacher.
»Wir haben den Boss der Biker eingelocht, aber ihre Befehlsstruktur ist weiter intakt. Alles funktioniert wie zuvor.«
»Also hat er einen Stellvertreter.«
»So funktioniert das bei Banden nicht.«
»Dann erteilt er seine Befehle aus der Haft. Mobiltelefon oder Kassiber.«
»Weder noch.«
»Wissen Sie das bestimmt?«
»Ganz sicher.«
»Dann läuft die Kommunikation über seinen Anwalt. Die beiden treffen sich jeden Tag, und während sie über seinen Fall zu sprechen scheinen, erteilt Ihr Mann in Wirklichkeit Befehle, die sein Anwalt weiterleitet.«
»Das haben wir auch vermutet. Aber das passiert nicht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil die Sprechzimmer mit versteckten Kameras und Mikrofonen ausgerüstet sind.«
»Um vertrauliche Gespräche zwischen Anwälten und Mandanten aufzuzeichnen? Ist das legal?«
»Vielleicht. Das Gefängnis ist brandneu. Und einige der neuen Bundesgesetze enthalten eine Menge Kleingedrucktes.«
»Er sitzt nicht im Bundesgefängnis ein.«
»Gut, okay, dann ist’s vielleicht nicht ganz legal.«
»Aber Sie tun es trotzdem?«
»Ja«, entgegnete Peterson. »Und wir haben keinen einzigen Befehl, kein Wort über geschäftliche Dinge gehört. Es hat auch keine zugeschobenen Zettel und keinen Austausch von Notizen gegeben.«
»Schon mal vom Vierten Verfassungszusatz gehört? Diese Bespitzelung ist eindeutig illegal.«
»Wir haben nicht vor, dieses Material gegen ihn zu verwenden. Der Staatsanwalt weiß nicht mal, dass wir ihn überwachen. Wir als Polizei wollen nur im Voraus gewarnt sein, falls sie beschließen, gegen die Zeugin vorzugehen, das ist alles.«
»Der passiert nichts. Nicht bei dieser Art Bewachung. In einem Monat ist die Sache vorbei. Sie müssen ein paar Überstunden zahlen, das ist alles.«
»Wir haben uns um dieses Gefängnis beworben.«
»Das hat Holland mir erzählt. Wie um ein Montagewerk von Toyota. Oder Honda.«
»Die Verhandlungen waren ein Geben und Nehmen.«
»Das ist es immer.«
»Das Gefängnispersonal erhält Vergünstigungen bei den Gemeindesteuern, wir bauen Häuser, wir erweitern die Schule …«
»Und?«
»Der letzte Punkt war, dass wir ihrem Krisenplan zustimmen mussten.«
»Der was vorsieht?«
»Sollte es einen Ausbruch geben, spielen wir eine im Voraus festgelegte Rolle.«
»Und die wäre?«
»Das gesamte Bolton Police Department bewacht einen Kreis mit einer Meile Durchmesser um das Gefängnis.«
»Alle Mann?«
»Bis zum letzten Mann. Im Dienst oder dienstfrei. Wach oder schlafend. Gesund oder krank.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Damit mussten wir uns einverstanden erklären. Zum Wohl der Stadt.«
»Nicht gut«, sagte Reacher.
»Überhaupt nicht gut«, meinte Peterson. »Heult die Gefängnissirene los, lassen wir alles liegen und stehen und rasen nach Norden. Alle ohne Ausnahme. Das bedeutet, dass wir Janet Salter völlig schutzlos zurücklassen, falls die Sirene irgendwann im kommenden Monat zu heulen beginnt.«
9
Reacher trank den größten Teil seines zweiten Biers aus und sagte: »Das ist irrsinnig.«
»Nur in der Realität«, erklärte Peterson. »Nicht auf dem Papier. Theoretisch steht die Highway Patrol als Ersatz für uns bereit. Und die Feds haben angeboten, Mrs. Salter als Zeugin sicher unterzubringen. Aber die Highway Patrol ist im Winter meist ein paar Stunden weit entfernt, und Mrs. Salter verweigert den angebotenen Schutz. Sie sagt, nicht sie, sondern die Biker sollten Meilen von zu Hause entfernt eingesperrt werden.«
»Problem«, sagte Reacher.
»Was Sie nicht sagen.«
Reacher blickte auf die mondhelle Schneefläche hinaus und sagte: »Keine ideale Zeit für Ausbruchsversuche, was? Nicht im Augenblick. Vielleicht monatelang nicht. In fünf Meilen Umkreis liegt unberührter frischer Schnee über einen halben Meter hoch. Schafft es jemand, den Gefängniszaun zu
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