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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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… Danke, danke für das Telefon«, sagte er zu dem Mönch, der ihm das schnurlose Telefon gebracht hatte.
    »Entschuldige, dass ich schon wieder störe«, sagte Franzik. »Der junge Priester, von dem ich dir erzählt habe, befindet sich gerade auf dem Flug von Brasilien nach Rom. Er wird sehr bald hier sein. Der Kodex liegt im Geheimarchiv bereit. Aber ich weiß nicht, ob wir weitermachen sollen. Meine Verwirrung ist ebenso groß wie meine Beunruhigung.«
    In seiner dunklen Zelle hustete Bruder Giulio rauh. Dann sagte er: »Es muss sein. Mein Herz ist seit vielen Jahren unruhig. Vielleicht findet er die Antwort, die ich nie bekommen habe … und von der ich nicht weiß, ob ich sie überhaupt hören wollte. Denk daran, mein Freund, was ich in meiner Jugend in Sizilien erlebt habe. Und denk auch an Papst Woj-tylas letzte Worte auf dem Sterbebett, die du selbst mir voller Angst erzählt hast.«
    »Ja. Ja, ich erinnere ich mich an seine Worte, aber wiederhole sie nicht, ich bitte dich! Sie waren beinahe unverständ-lich. Ein Flüstern. Man hatte einen Luftröhrenschnitt bei ihm gemacht, und er hatte keine Stimme mehr … Ich bin nicht einmal sicher, ob …«
    »Wenn das nur stimmte! Aber du bist dir ja sicher. Es hat sich allen, die davon wissen, unauslöschlich eingeprägt. Au-ßerdem ist die Uhrzeit, zu der er uns verlassen hat – 21 Uhr 37 –, ein Zeichen des Teufels. Die 37 wird in einigen gottlo-sen Texten Luzifer zugeordnet. Und in der hebräischen Kab-bala kann sie als ›der Sturz‹ interpretiert werden und bedeutet auch ›verbrennen‹.«
    »Gott sei Dank sind wir, die wir davon wissen, nur wenige und zudem absolut vertrauenswürdig. Wenn die Gläubigen erführen …«
    Der Kardinal schloss die Augen und kniff die Lider zusammen. Diese Erinnerung war wie ein Wurm, der an einer reifen Frucht nagt.
    »Wenn dein junger Untergebener den Kodex gelesen hat, schick ihn mir nach Padua«, sagte der Alte sanft.
    »Könntest du nicht vorher mit ihm sprechen? Wenn du hinterher immer noch meinst, dass er ihn lesen soll, werde ich keine Einwände haben.«
    »Gut. Dann schick ihn gleich nach seiner Ankunft zu mir. Ich werde mit ihm reden.«
    Zwischen den beiden durch die Telefonleitung getrennten Männern entstand ein tiefes Schweigen. Der Kardinal brach es.
    »Ich habe Angst, Giulio.«
    »Ich auch, wie du weißt, lieber Ignatius. Ich auch.«
     
    Der Heilige Stuhl erstrahlte unter einer für den November untypischen Sonne. In den Straßen der Ewigen Stadt, die sauberer als üblich waren, sah man bereits erste Weihnachts-vorbereitungen. Ein undefinierbarer, aber angenehmer Duft erfüllte die Luft, und alle wirkten ein wenig fröhlicher angesichts der Aussicht auf die Feierlichkeiten, mit deren Vorbereitungen man auf Initiative der großen Kaufhäuser jedes Jahr ein wenig früher begann.
    Der elegante graue Lancia Thesis mit dem Kennzeichen SCV des Stato della Città del Vaticano ließ das Kolosseum und den Konstantinsbogen rechts liegen. Der Passagier hatte den Fahrer ausdrücklich gebeten, dort vorbeizufahren. Er wollte die majestätischen Ruinen, die ihm noch jedes Mal ein erhebendes Gefühl eingeflößt hatten, wieder einmal betrachten, und sei es auch nur im Vorbeifahren. Vom Kolosseum aus fuhr der Wagen Richtung Circus maximus und überquerte den Tiber. Dann nahm er die Via della Conciliazione, an deren Ende sich der Petersdom erhob. Das Fahrzeug umrundete den Platz und hielt an der Pförtnerloge der Inspektion für öffentliche Sicherheit im Vatikan. Nachdem sie sich aus-gewiesen hatten, konnten sie ihre Fahrt fortsetzen und in eine Seitenstraße des Platzes einbiegen. Franzik hatte seinen Chauffeur und seinen eigenen Wagen geschickt, um Pater Albert Cloister vom Flughafen Leonardo da Vinci abzuholen.
    Der Flug mit Zwischenlandungen vom amazonischen Re-genwald hierher war lang und anstrengend gewesen. Doch er hatte ihm immerhin mehrere Stunden Zeit zum Nachdenken verschafft. Die Gedanken hatten sich völlig ungeordnet in seinem Kopf gedrängt. Er wusste, dass sie wie Teile eines Puzzles waren – das schon. Doch eins fehlte: der Schlüssel, der das Wunder vollbrachte, die einzelnen Teile zusammen-zusetzen. Vielleicht benötigte er auch eine bestimmte Per-spektive. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.
    Der Priester veränderte seine Sitzposition auf der bequemen Rückbank des Autos. Seit dem Abflug aus Südamerika hatte er sich immer schlechter gefühlt. Er hatte kalte Schweißausbrüche bekommen

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